Gab es bei den Mesopotamiern Menschenopfer?

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Gab es bei den Mesopotamiern Menschenopfer?

Zentrum für Sumerische Studien
Veröffentlicht von Wolf Wieland in Altorientalistik · 26 Dezember 2023
         
Den altorientalischen Kulturen wurden verschiedentlich Menschenopfer vor­ge­worfen. Vor allem aus alttestamentlicher Sicht wurden solche Vorwürfe erhoben. Vie­­­le Theologen des 19. Jahrhunderts spra­chen den alttestamentlichen Aussagen und Hin­wei­sen auf den Alten Orient Beweiskraft und historische Richtigkeit zu. Selbst in die noch junge Wissen­schaft der Assyriologie sickerte diese Sichtweise ein, und alle ar­chä­o­logischen Befunde wurden zunächst un­ter diesem Gesichtspunkt betrachtet. Erst die Aus­wertung der massen­haften Keil­schrift­­funde in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts brachte eine Wende: Je ge­nau­er die Kenntnis der akkadischen und sumeri­schen Sprache wurde, desto klarer und ein­deutiger konn­ten die Behauptungen von Men­schenopfern zurückgewiesen und ad ab­sur­dum geführt werden.
 
Es zeigte sich, dass die Anschul­di­gungen der alttestamentlichen Autoren durch­­­weg Polemik war: Die jüdi­sche Reli­gion, die sich innerhalb weniger Jahrhun­derte von der Monolatrie zum abso­luten Mo­no­theismus gewandelt hatte, sollte als in jeder Hin­­­sicht besser dargestellt wer­den als die traditionellen Religionen und Kul­­te, deren bisher aner­kannte und verehrte Götter nun als „Göt­zen“ mit abscheulichen Eigen­schaften ins all­gemeine Bewußtsein ein­gehen sollten. Lange Zeit ging diese Stra­tegie auf, heute verfängt sie zwar nicht mehr in Fachkreisen, aber leider immer noch in der ahnungslosen Öffentlich­keit. Der Reli­gions­wissenschaftler Jan Assmann[1] schreibt dazu:
 
„In der Tat findet sich im Alten Tes­tament nicht nur Kritik an der eigenen Reli­gion wie die Opferkritik der Propheten, son­dern vor allem auch reichliche Polemik ge­gen die heidnische, vor allem kanaanäische Religion. Da geht es dann um Dinge wie Ma­­gie, Wahr­­sagerei, Totenbeschwörung, Tem­pelprostitution und vor allem Men­schen­­­opfer, insbe­son­dere Kindesopfer. Hier zeigt sich deutlich, dass schon der altisraeli­tische Monotheismus ganz ähnliche Proble­me hatte wie später das Christentum. Es sind die Probleme einer Religion, die sich als etwas Neues an die Stelle alter Traditio­nen setzt und sich ihnen gegenüber als ein Fort­schritt legitimieren muss. Die Strate­gien der Begründung sind uns so selbst­ver­ständlich geworden, dass uns ihre pole­misch­apologetische Tendenz nicht mehr be­wusst ist. Selbst­ver­ständlich ist das Juden­tum ein Fortschritt gegenüber dem Heiden­tum. Wer wünschte sich Menschenopfer und Hexerei zurück? Auch damit aber bewe­gen wir uns im Horizont der pole­mi­schen bzw. apologetischen Innenperspektive des Mo­no­theismus“.
 
 
         
Interessant, aber nicht überraschend ist die Sichtweise eines (zum Islam kon­ver­tierten) isla­mi­schen Autors. Klaus Habib Ne­­­ven schreibt in seinem Buch „Das Chris­ten­tum aus islamischer Sicht (2016):
 
Es war Satans Plan von Anbeginn der Zeit, die ganze Erde allmählich zu ver­einen im Unglauben und Ungehorsam; eine Menschheit, die ihren Schöpfer ablehnt und stattdessen Lucifer anbetet. Er wurde in ver­schiedenen Formen auf der ganzen Welt als Sonnengott oder Feuergott verehrt. Und man brachte ihm blutige Menschenopfer dar! Menschenopfer sind Satanskult! Das Kreuz war ein Symbol der Sonnenanbeter Jahrhunderte bevor Jesus geboren wurde. Wie erwähnt findet man es in der Mitte des Zodiak, das den Tierkreis in seine vier Jahreszeiten teilt. Der Herrscher des Tier­kreises ist wiederum die Sonne bzw. der Son­nengott. Das, was nun christliches Kreuz genannt wird, war ursprünglich bei den Kaldäern das mystische Tau, auf dem sie ihr Erstgeborenes dem Sonnengott opferten. Keine größere Schmähung hätte Satan Chris­tus antun können, als ihn genau auf diesem Symbol der Satansanbetung zu kreu­zigen! Aber laut Islam bewahrte Gott Jesus da­vor. Jesus wurde in Wirklichkeit nie ge­kreu­zigt!
 
 
Die Torah fordert mehrfach (Ex 13,2. 12f; 22,28f; 34,19f; Num 3,1ff; 18,15; Dtn 15, 19) die Erstgeburt von Mensch und Tier als Gabe für JHWH. Die Gebote machen aber unmissverständlich klar, dass die ersten Söh­­ne im Unterschied zu den Tieren nicht geopfert werden durften, sondern unbedingt durch ein Tieropfer ersetzt (ausgelöst) wer­den mussten (im Islam wird immer noch zur Geburt von Kindern geopfert). Wer den­noch Menschen opferte, wurde mit der To­des­strafe bedroht (Lev 20,2; Dtn 18,10 u.a.). Wenn Könige wie Ahas (2 Kön 16,3) und Manasse (2 Könige 21,6) weiterhin den alten Kulten folgten, verstießen sie gegen die­­ses Gebot und zogen den Zorn der Pro­pheten auf sich. Menschenopfer galten ih­nen als typisches Zeichen der Verehrung fremder Götter wie Moloch und Baal: „Doch der Ba­al fraß seit unserer Jugend alles, was unsere Väter erwarben, ihre Schafe und Rin­der, ihre Söhne und Töchter." (Jer 3, 24)
 
„Sie brachten ihre Söhne und Töchter dar als Opfer für die Dämonen. Sie vergossen schuldloses Blut, das Blut ihrer Söhne und Töchter, die sie den Götzen Kanaans opfer­ten." (Ps 106, 37ff). Der biblischen Ge­schichtsüberlieferung zufolge war das Opfer der ersten Söhne in Israels Umwelt üblich, das die deuteronomische Theologie ablehn­te: „Da nahm er [der König der Moabiter] seinen erstgeborenen Sohn, der nach ihm König werden sollte, und brachte ihn auf der Mauer als Brandopfer dar." (2 Könige 3, 27) „Er lieferte sie den Gibeonitern aus, die sie auf dem Berg vor dem Angesicht des Herrn hinrichteten." (2 Sam 21, 9)
 
Jeremia bekämpfte die Opferung der Erstgeburt, die manche Jerusalemer offen­bar von den zuvor dort lebenden Kanaa­nä­ern übernommen hatten, als Götzendienst und schweren Verstoß gegen Gottes Gebote: „Auch haben sie die Kulthöhe des Tofet im Tal Ben-Hinnom gebaut, um ihre Söhne und Töchter im Feuer zu verbrennen, was ich nie befohlen habe und was mir niemals in den Sinn gekommen ist." (Jer 7,31)
 
 
Was man also aus all den oben ge­nann­ten Bibelstellen klar erkennen kann ist das Folgende: Gott selber hatte nie Men­schenopfer befohlen! Auch Tieropfer wur­den nicht benötigt, um Sünden zu vergeben. Es ist nirgendwo in der Bibel ersichtlich, dass die Menschen opferten, um ihre Sün­den vergeben zu bekommen, sondern weil es eine Anordnung Gottes war. Wenn immer Menschenopfer stattfanden, folgten die Men­schen nicht der monotheistischen Reli­gion Abrahams, sondern dem Götzendienst. Und es war vor allem Baal, der solche Opfer forderte (Ende Zitate Neven).
 
 
Praktisch alle Vorurteile des alttesta­mentlichen Judentums gegenüber der alt­orien­­talischen Religion werden hier unkri­tisch konserviert und als Argumente ins Feld geführt - kein Wunder, hat doch der Islam als jüngste monotheistische Religions­vari­an­te die gleichen Legitimationsprobleme wie Christentum und Judentum. Eine neue, ganz eigene Zutat ist allerdings die Gleich­setzung des christlichen Kreuzes mit dem „mythischen Tau“.
 
 
         
Einer, der sich schon früh nicht mehr von alttestamentlichen Schreckenszu­schrei­bungen beeindrucken ließ, war der jü­disch-amerikanische Religionswissen­schaft­­­ler und Archä­o­loge Morris Jastrow. Nach dem Studium des Talmud und der semiti­schen Sprachen in Europa distanzierte er sich deutlich vom traditionellen Juden­tum. Jastrow schrieb[2]: „Weder in der baby­lo­ni­schen Literatur noch in künstlerischen Dar­stellungen wurden Spuren von Men­schen­­­opfern gefunden. Wenn dieser Ritus jemals bei den Babyloniern oder Assyrern prakti­ziert wurde, muss er in einer sehr früh­en Periode stattgefunden haben - früher als alles, wovon wir bisher Kenntnis haben. Andererseits lässt sich eine Spur einer primi­tiven Form der Baumver­ehrung in der auf Siegelzylindern und Denkmälern so häufig anzutreffenden Darstellung merk­würdiger, teils menschlicher, teils tierischer Figuren erkennen, die vor einer Palme stehen“.
 
 
         
Befragt man eine künstliche Intelli­genz wie ChatGPT zu diesem Thema, wird das Dilemma zwischen unkritischem Alt­tes­ta­mentglauben und wissen­schaft­­­lichen Er­­kennt­nissen und Korrektu­ren überdeut­lich - wenn man nur lange genug nachhakt:
 
 
Frage: Nenne mir Autoren, die be­haup­ten, dass es bei den Sumerern Men­schenopfer gegeben hätte.
 
Antwort: Es gibt verschiedene Auto­ren, die sich mit dem Thema der Sumerer und ihren Praktiken auseinandergesetzt ha­ben und in diesem Zusammenhang auch von Menschenopfern sprechen. Ein Beispiel hier­­für ist der amerikanische Archäologe und Altmesopotamien-For­scher Samuel No­ah Kramer, der in seinem Werk "The Sume­rians: Their History, Culture, and Charac­ter" auf Menschenopfer in der sumerischen Religion eingeht und dazu auch historische Quellen und archäologische Funde heran­zieht. Ein weiterer Autor, der zu diesem The­ma schreibt, ist der deutsche Assyriologe und Hochschullehrer Johannes Renger, der in seinem Buch "Sumer und Akkad: Ge­schich­te, Gesellschaft, Kultur" ebenfalls auf die Praktiken der Sumerer in Bezug auf Menschenopfer eingeht. Es sei jedoch ange­merkt, dass es in der For­schung auch unter­schiedliche Meinungen und Interpretationen zu diesem Thema gibt.
 
Frage: Was schreibt Samuel Noah Kramer zu Menschenopfern bei den Sume­rern?
 
Antwort: Samuel Noah Kramer be­schreibt in seinem Buch "The Sumerians: Their History, Culture, and Character" aus dem Jahr 1963, dass es bei den Sumerern während ihrer frühen Geschichte Menschen­opfer gab. Diese Praktiken waren jedoch nicht durchgängig und traten später nur noch selten auf. Kramer vermutet, dass die­se Rituale in Zusammenhang mit religiösen Veränderungen oder politischen Ereignissen standen.
 
Frage: Welche konkreten Hinweise gibt Samuel Noah Kramer zu Menschen­opfern bei den Sumerern?
 
Antwort: Samuel Noah Kramer be­schreibt in seinem Buch "The Sumerians: Their History, Culture, and Character" einige konkrete Hinweise zu Menschen­op­fern bei den Sume­rern. Er erwähnt, dass in einigen Texten von "Bluttrinken" durch die Götter die Rede ist, was möglicherweise ein Hinweis auf Menschenopfer sein könnte. Auch gibt es Berichte von Kriegs­gefangenen, die als Opfer dargebracht wurden, um den Göttern Gunst zu erweisen. Allerdings be­tont Kramer auch, dass es schwierig ist, die genauen Rituale und Praktiken der Sumerer zu rekonstruieren, da es nur begrenzte schrift­liche Aufzeichnungen und keine un­mit­telbaren Au­gen­zeugen gibt.
 
Frage: In welchen sumerischen Tex­ten wird von "Bluttrinken" der Götter ge­schrieben?
 
Antwort: In sumerischen Texten wird in verschiedenen Kontexten von "Blut­trinken" der Götter gesprochen. Ein be­kann­tes Beispiel ist das "Epos von Gilga­mesch", in dem die Göttin Ischtar nach dem Tod ihres Geliebten Tammuz das Blut eines Bullen trinkt, um ihn wieder­zubeleben. Eben­falls im Kontext von Opferritualen wird von Bluttrinken gesprochen, etwa in den "Ritualtexten gegen Dämonen" oder in Hymnen auf den Kriegsgott Ninurta. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass das Blut­trinken der Götter metaphorisch zu verste­hen ist und keine tatsächliche blutige Hand­lung beschreibt. (Ende Zitate ChatGPT)
 
 
Bei diesen weitergehenden Fragen bin ich nur exemplarisch den Aussagen zu Samuel Noah Kramer nachgegangen. Man sieht, wie sich die zunächst massiven Be­haup­tungen bei einschränkender Nachfrage allmählich in Nebel und schließlich in Luft auflösen. Nebenbei bemerkt ist die Behaup­tung, dass Ischtar in der Dichtung „Gilga­mesch“ den Tod von Tammuz zu beklagen hätte und deshalb Blut getrunken hätte, völ­lig aus der Luft gegriffen.
 
 
         
Wenn von „Baal“ die Rede ist, er­schau­­dern die Gebildeten. Gilt die­ser Gott doch als menschenfressendes Unge­heuer, dessen Verehrung durch die „Hei­den“ deren Ver­derbtheit erschreckend deut­lich macht. Zwar ist an den Vorwürfen nichts dran, aber die alttestament­liche Ver­un­glimpfung feiert ihren Erfolg. Auch die Römer lernen von den Heb­räern und greifen zu plumper Propaganda, um ihren Konkur­renten Karthago als mora­lisch minderwertig zu diskriminieren und damit indiskutabel zu machen. Die Geschichte von den Kinder­op­fern in Karthago wurde bis in unser Jahr­hun­dert für wahr gehalten. Erst durch jüng­s­te archäologische Untersuchungen wur­de sie als perfide Lüge der Römer ent­larvt. Die Archäologin und Wissen­schafts­journalistin Angelika Franz berichtet darü­ber am 03. 03. 2010 im Spiegel:
 
 
Kinderopfer in Karthago an Baal-Ham­mon? „Über den Feind erzählte man sich in Rom abscheuliche Dinge: So sollen die Karthager ihrem Gott Baal-Hammon regel­mäßig Kinder geopfert haben. Eine Szene haben römische Geschichtsschreiber genau beschrieben: Im Jahr 310 vor Christus lag vor den Toren Karthagos das Heer des Aga­thok­les von Syrakus und schnitt die Stadt von jeder Versorgung aus dem Hin­terland ab. Das Wasser wurde knapp, in der Som­mer­­hitze litten die Menschen unsägliche Qua­­len. Schließlich verkündeten die Pries­ter des Baal-Hammon, wie die Stadt gerettet werden könne: Ihr Hauptgott, so waren sie überzeugt, gierte nach dem Blut der erstge­bo­renen Söhne der Elite. Zu lange schon hät­­ten die Reichen der Stadt versucht, den Gott zu betrügen, indem sie an Stelle der eigenen Sprösslinge Sklavenkinder geopfert hätten. Oder hatten gar versucht, dem Gott Tier- statt Menschenfleisch unterzujubeln.
 
Die Misere also, so sagten die Pries­ter, sei nun die Rache des Baal. Um ihn wie­der zu besänftigen, trieben sie die männ­lichen Nachkommen zusammen, entzünde­ten zu den Füßen seiner Statue ein riesiges Feuer und legten die Kinder auf die leicht abschüssigen, ausgestreckten Arme des Göt­zen­bildes. Nach und nach rollten die kleinen Kinder ins lodernde Feuer.
 
So zumindest ist es nachzulesen bei den antiken Geschichtsschreibern Diodorus Siculus und Plutarch. Und so führte es auch 1862 Gustav Flaubert in seinem Roman "Salammbô" in ekelerregender Detailgenau­ig­keit aus: "Dann ward die Glut im Innern dunkler, und man er­kannte brennendes Fleisch. Manche glaubten sogar Haare, Glie­der und ganze Körper wahr­zunehmen. (...) Man hörte das Schreien der Mütter und das Prasseln des Fetts, das auf die Kohlen he­rab­tropfte..."
 
Nur hat die Sache einen Haken: Flau­bert schrieb für ein sensationslüsternes fran­zösisches Publikum. Und die beiden an­ti­ken Geschichtsschreiber wurden von römi­schen Herr­schern für ihre Dienste bezahlt. So haben Archäologen seit geraumer Zeit berechtigte Zweifel an der Verlässlichkeit die­ser literarischen Schilderungen. Waren die abstoßenden Kindesopfer also nur römi­sche Propaganda? Jüngste Belege dafür, dass die Karthager unschuldig waren, hat nun Jeffrey Schwartz von der University of Pitts­burgh vorgelegt. Der Anthropologe un­ter­­such­te die Knochen aus 348 Urnen aus ei­nem Kinderfriedhof der Stadt.
 
Um diesen Kinderfriedhof, Tophet genannt, ranken sich seit den ersten wissen­schaftlichen Untersuchungen in den zwanzi­ger Jahren des letzten Jahrhunderts die fins­tersten Gerüchte. Hier ruhen nur die Kno­chen von sehr jungen Kindern. Ältere Kin­der sowie die Erwachsenen wurden auf den regulären Friedhöfen der Stadt beigesetzt. Es lag also nahe, in den hier Bestatteten die Opfer des grausamen Baal-Hammon zu ver­mu­ten - die erstgeborenen Söhne der Stadt, die für den Gott in den Flammen sterben mussten.
 
Schwartz fand heraus, dass zumin­dest sehr viele von ihnen gar nicht hätten geopfert werden können - weil sie schon ihre Geburt nicht überlebt hatten. Schwartz konnte an den Knochen keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung feststellen. "Ich habe sehr sorgfältig nach Schnittspuren gesucht, weil es in einigen Berichten heißt, den Kindern seien die Kehlen durch­geschnitten worden, bevor man sie ins Feuer warf", er­zählt der Forscher. "Natürlich könnten sie auch zuvor betäubt worden sein - das hätte an den Knochen keine Spuren hinterlassen." Von 70 Skeletten waren die Beckenknochen so weit erhalten, dass Schwartz an ihnen das Geschlecht der Toten bestimmen konnte. Und hier widersprachen die Ergebnisse ein­deutig den Schilderungen des Opferritus: Mindestens 38 der Kinder aus dem Tophet waren nämlich Mädchen. Nur bei 26 der Kno­chen konnte Schwartz eindeutig auf Jung­­en schließen, bei den restlichen sechs Kin­dern war das Ergebnis nicht eindeutig.
 
Die nächste Überraschung war die Be­stimmung des Alters. Dazu nahm Schwartz die kleinen Schädelknochen, Sitz- und Schambeine sowie die Zähne unter die Lupe. Fast alle Kinder starben, ohne ihren ersten Geburtstag erlebt zu haben. Der häu­figste Todeszeitpunkt lag zwischen den zwei­ten und dem fünften Lebensmonat. Und et­wa 20 Prozent aller Kinder hatten gar nie das Licht der Sonne gesehen - sie waren Totgeburten.
 
Um sicherzugehen, zog Schwartz weitere Kollegen hinzu. Er wählte Zähne von 50 Kindern aus, deren Todeszeitpunkt er kurz vor oder unmittelbar nach der Ge­burt vermutete, und schickte sie an Roberto Macchiarelli vom Muséum National d'His­toire Naturelle in Paris und Luca Bondioli vom Museo Nazionale Preistorico Etnogra­fico in Rom. Er bat die Kollegen, die Zähne auf ihre neonatale Linie zu untersuchen. Diese feine Linie bildet sich im Zahn­schmelz, wenn dessen Produktion bei der Geburt und für die ersten Tage danach vor­übergehend eingestellt wird. Ist sie im Zahnschmelz zu sehen, hat das Kind diese Zeit überlebt. Fehlt sie, ist es während oder kurz nach der Geburt gestorben. Mit dieser sehr genauen Methode der Bestimmung des Todeszeitpunktes konnten die Forscher 26 Kinder ausmachen, die tatsächlich tot gebo­ren worden waren - und damit auch ganz be­stimmt nicht dem Baal-Hammon als Opfer dargebracht werden konnten“. (Ende Zitate von Angelika Franz).
 
Sehr ähnlich, nur in anderen Wor­ten, berichet Dr. Heike Talkenberger auf Wis­­­sen­schaft.de am 08.05.2010:
 
„Im 4. bis 2. Jahrhundert v. Chr. war die reiche nordafrikanische Stadt Kar­tha­go Roms ärgste Konkurrentin, bis den Römern 146 v.Chr. im dritten Punischen Krieg ihre Zerstörung gelang. Die römi­schen Geschichtsschreiber hatten Grausiges über den Feind zu berichten: Die Karthager hätten, so liest man bei Diodorus oder Plu­tarch, ihrem Gott Baal-Hammon Kinder­op­fer dargebracht. Anlässlich einer Belage­rung im Jahr 310 v. Chr. seien vor allem männ­liche Nachkommen der Elite in großer Zahl geopfert und auf dem Kinderfriedhof Toph­et bestattet worden.
 
Jeffrey Schwartz von der University of Pittsburgh hat nun Knochen aus 348 Ur­nen des Kinderfriedhofs untersucht und kommt zu interessanten Ergebnissen: Er konn­­te an den Knochen keinerlei Spuren von Gewaltanwendungen entdecken, dazu brachte eine verglei­chende Analyse von 70 Skeletten ans Licht, dass 38 von 70 Verstor­benen nicht etwa Jungen, sondern Mädchen waren. Schwartz fand außerdem heraus, dass sehr viele Kinder bereits zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensmonat ver­storben waren, Hinweis auf die in der An­ti­ke übliche hohe Kindersterblichkeit. Am meis­ten aber spricht gegen die Kinderopfer-These der Befund, dass 20 Prozent der Kin­der Totgeburten waren. So diente Tophet wohl lediglich der Bestattung von Kindern, die noch nicht in die Gemeinschaft hatten aufgenommen werden können, und die Mär vom Kinderopfer ist nichts als römische Pro­paganda“. (Ende Zitate von Heike Tal­ken­berger).
 
         
Definition des Menschenopfers. Das Wis­senschaftliche Bibellexikon im In­ternet gibt ausführlich Auskunft da­rü­ber, was unter einem „Menschenopfer“ zu ver­stehen ist. Ich gebe hier den vielbeachteten Artikel von Michaela Brauks (2016) wie­der:
 
1. Einführung
 
1.1. Definition
 
Der Begriff „Menschenopfer“ wird im Blick auf den Mittelmeerraum in einem weiteren und in einem engeren Sinne ver­wen­det. Im engeren Sinne versteht man unter einem Menschenopfer ein regelmäßig oder bei besonderen Gelegenheiten, z.B. in einer Notzeit, vollzogenes Opferritual („sa­crificium“), bei dem ein Opfergeber ei­ner Gottheit als Opfergabe („victima“) einen Men­schen darbringt, der dabei als Opfer ri­tu­ell getötet wird (vgl. G. Schwartz, 11-13; Cancik-Lindemann 1999, 1254).
 
In einem weiteren Sinne versteht man unter „Menschenopfer“ verschiedene Formen ritueller Tötungen (Ritualmord), wie z.B.:
 
a) Bauopfer (ein Mensch wurde bei der Grundsteinlegung eines Gebäudes viel­leicht getötet und unter dem Grundstein be­graben);
 
b) Gefolgeopfer (Menschen aus dem Umfeld eines Verstorbenen wurden getötet und mit ihm begraben oder sogar lebendig mit ihm begraben);
 
c) Gefangenenopfer (rituelle Tötung von Feinden);
 
d) Toten- und Heldenopfer (rituelle Tötungen für Tote oder getötete Helden; häu­fig als Racheakt);
 
e) Fruchtbarkeitsritual (Tötung der Erstgeborenen; Erstlingsopfer);
 
g) Kannibalismus und Nekrophagie, sofern sie zu einem Ritual gehören;
 
h) Selbstopfer / Märtyrertod.
 
1.2. Quellen
 
Während das Thema Menschenopfer in Griechenland literarisch häufig belegt ist (Scheid, 1256f.; Henrich; Hughes), findet es sich in Ägypten, Mesopotamien und der Le­van­te nur selten. Sehr umstritten bleibt in der Forschung, wie verbreitet die Durch­füh­rung von Menschenopfern in den ge­nann­ten Kulturen war.
 
1.2.1. Literarische Belege.
 
Die Schwierigkeit vieler literarischer Belege besteht darin, dass es sich um Be­richte philosophisch oder historiographisch interessierter klassischer Autoren handelt, die über Riten oft fremder Völker oder zu­rück­liegender Epochen berichten. Die mit­unter ausladenden Beschreibungen verfol­gen eine bestimmte Intention der Kultur­beschreibung und sind häufig als Polemiken zu bewerten (Roig Lanzillotta 2007; Bauks 2010). Daher bleibt unklar, ob es sich um die Beschreibung realer Opfer­praxis oder aber lediglich um kulturelle Zu­schreibungen han­delt. Insofern ist man für die Auswer­tung des Befunds, ob und in wel­chem Kontext Menschenopfer tatsäch­lich durchgeführt wur­­­den, zusätzlich auf arch­ä­ologische Be­lege (inklusive Ikonogra­phie und Epigra­phik) angewiesen, um die litera­rischen und narrativ eingebetteten Über­lie­fe­rungen his­torisch und inhaltlich besser zu­ordnen zu können.
 
1.2.2. Archäologische Belege.
 
Sie stammen vor allem aus Grab­kon­texten. Belegbar sind auch Bauopfer bzw. Grün­dungsbeigaben. Ikonographische Bele­ge gehören zum Teil in den Kontext der jeweiligen kulturell bedingten Herrscheriko­no­graphie. Aus dem Kerngebiet Israel-Judas sind jedoch kei­ne archäologischen Belege vor­handen.
 
1.2.3. Epigraphische Belege.
 
Inschriften aus Karthago und Susse, (4.-2. Jh. v.Chr.) bieten eindeutige Belege für Menschenopfer bzw. Ersatzrituale für den phönizisch-punischen Raum der zwei­ten Hälfte des ersten Jahrtausends (Abou­Sam­ra; Xella; Roschinski; Bauks; Mo­loch). Zu nennen sind hier auch die puni­schen Weihinschriften aus el-Hofra bei Con­­s­tantine [= Cirte, Algerien] des 3.-1. Jh.s v. Chr. adressiert an Baal Hamon und Tanit und in römischer Zeit für Saturn / Kronos und Caelestis aus Calama/Guelme und Ngaus (lat.) (dazu Abou Samra; Ro­schinski; Xella; Donner / Röllig, KAI; vgl. Bauks 2010, 29-40). Forschungsgeschichtlich ein­schlägig wirken Arbeiten wie die von Green (1975), Aldhouse-Green (2003) und auch Brem­mer (2007), die eine große Anzahl von Beispielen für Ritualmord und Men­schen­opfer in verschiedenen Kulturen kata­lo­gi­sie­ren, ohne aber beide Typen weiter zu diffe­ren­zieren (anders Burkert [1972, 9] zum an­thro­pologischen Verhalten des Jagd-Op­fer-Toten-Rituals und der Opfertötung als „Grund­erlebnis des ‚Heiligen’“; s. auch Hu­ghes 1991, 1ff.).
 
1.3.1. Menschen.
 
Die Opfergabe besteht nach vielen Tex­ten aus Kindern oder Jugendlichen (Kö­nigs­­söhnen) bzw. – verstärkt im griechi­sch­en Kulturraum – aus Jungfrauen, wes­halb die Bezeich­nung „Kinderopfer“ ver­brei­tet ist.
 
1.3.2. Ritual.
 
Über die Art und Weise, wie Men­schenopfer dargebracht wurden, machen die Quellen sehr unterschiedliche Angaben: Im Alten Testament werden sie als Ganz- bzw. Brandopfer ( עֹלהָ ‘olāh; Holocaust) beschrie­ben (Gen 22; Ri 11; 2Kön 3,27). Ob es sich bei dem Begriff מֹלֶך molækh bzw. מלך molkh um einen semitischen Ter­minus für einen bestimmten Opferritus han­delt (Eißfeldt; Mül­ler; Noort; Bauks) oder den Namen bzw. die Bezeichnung der Gott­heit, der man opferte (Heider; Day), ist um­stritten. Im jüngeren punischen Kontext begegnen Men­schenopfer archäolo­gisch und literarisch als Brandopfer (Xella 2009; Bonnet 2010, 165f.) an­lässlich eines Gelübdes (auch in Notlage), wobei der Vor­gang durch eine Stele erinnert wird (Abou Samra, 257-269; Bauks 2010, 24-31). Dem Feuer scheint eine besondere Be­deu­tung für die Transformation des Opfers zuzukom­men.
 
In griechischen Texten begegnet das Opfer als Schlachtopfer (thúein, spházein u.a.). Von Iphigenie kann ausgesagt werden, dass sie wie eine Ziege (Aischylos, Agamem­non 232) oder ein Kalb (Euripides, Iphigenie bei den Taurern, 359) geopfert wird. Die „olympische Opfer­form“ (thusía) umfasst das Schlachten und Verbrennen von ausge­wählten Knochen, Gallen­blase, Fett und ei­ni­gen Fleischstücken für einen Gott, wäh­rend das übrige Tier von der Kult­gemeinde im Rahmen der großen Feste verspeist wird. Das zieht im Fall eines Menschenopfers das Problem der Anthropophagie nach sich (vgl. Erzählstoffe zu Tantalos-Pelops; Thyestes; da­­zu Burkert, 114-123). Heldenopfer indes wur­den nicht verzehrt, sondern deponiert oder gänzlich verbrannt (holókaustos) (Hu­gh­es, 4f.; vgl.Burkert, 10-14). Verbrennung ist auch bei Totenopfern und Opfern für chtho­nische Götter der Regelfall. Bei Gelüb­deopfern (tómia; hórkion ) wird das getötete Opfergut deponiert (Hughes, 4-5).
 
In Mesopotamien fehlen in den sonst sehr ausführlichen Texten zur Opferpraxis so­wohl Hinweise auf die Opferterminologie als auch Ausführungsberichte zum Men­schen­­­opfer. Stattdessen lassen sich Beispiele für Ritualmorde (wie z.B. Gefolgebe­stat­tungen; s. archäo­logische Befunde; zur Ka­te­go­risierung Hughes, 8) oder Stellvertre­tungs- und Substitutionsriten (wie Ersatz­könig­tum) oder Sündenbock- bzw. Pharma­kos­riten als Eliminationsriten bei­bringen (Pon­gratz-Leisten 2007, 9.32; Hughes, 11f. 140-165), die aber keine Menschenopfer im engeren Sinne darstellen.
 
2.2. Mesopotamien, Anatolien und Syrien
 
Auch in Mesopotamien und Südost­anatolien sind Gefangenenopfer und Gefol­ge­bestattungen belegt. Der berühmteste Fall für eine Gefolgebestattung findet sich in den von Sir Leonard Woolley 1934 publizierten sechzehn prädynastischen „Königs“-Grä­bern aus Ur (Tell el-Muqajjar) bis in die Ur IIIAPeriode (2600-2450 v. Chr.) im Mauso­leum von König Schulgi und Amar-Sin. Die Grabarchitektur weist jeweils Varianten auf, aber in allen steinernen Grabkammern mit Schachtgräbern findet sich neben dem Leich­­nam eine Reihe weiterer menschlicher Überreste von Gefolgsleuten und Familien­mitgliedern des Grabherrn (bzw. in zwei Fällen der weiblichen Leichname), die mit ihm zusammen bestattet wurden (vgl. auch Dietrich, 266-281). Andere deuten den Be­fund so, dass die übrigen Menschen bereits vor dem König gestorben waren und später mit ihm zusammen zweitbestattet wurden (Charvát 2002; Sürenhagen 2002). Dagegen scheint die Anordnung der Skelette in der Grube als Gefolge mit Soldaten, Bediens­te­ten etc., zumal ausgestattet mit Objekten wie Schmuck und Keramik, für ein Kon­ti­nuität stiftendes Totenbankett zu sprechen (Porter 2012, 207f.).
 
Verletzungen an einigen Schädeln wie­sen zudem auf Tötung durch eine Spitz­hacke hin und somit auf die „Opferung“ des Gefolges mit der Bestattung des Grabherrn (Baadsgaard / Monge / Zettler, 137-144). Ein ähnlicher Befund könnte in Kisch vorliegen (Green, 53f., vgl. Recht, 171). Weitere Belege stammen aus Syrien wie z.B. von Tell Umm el-Marra (ca. 2300 v. Chr.), wo man Gräber mit Welpen- / Hunde-, Pferde- (kunga) und Menschenknochen ohne Brandspuren neben weiteren Objekten in kultisch anmutenden Installationen fand (Schwartz 2012, 15-23; Porter, 201f.; Recht, 171 mit Hinweis auf eine vergleichbare hurritische Installation in Tell Mozan ). Andere interpretieren das En­semble als sukzessiv gewachsene Elite-Grä­ber mit Toten- bzw. Ahnenkultfunktion, in denen die afrikanischen Esel (kunga) in ihrer Eigenschaft als königliche Tiere Substitu­tions­opfer darstellen (Weber 2012, 170ff.). Für die Grabfunde aus Tell Brak / Nagar, Nu­zi, Aslantepe (Porter), Tepe Gawra und Chagar Bazar ist die Deutung als Menschen­opfer sehr umstritten, da zwar ein gewalt­samer Tod nachzuweisen ist, der sakrifizielle Kontext aber fehlt (Recht, 172f., gegen Green, 59-80). Misshandlungen und Opfer von Gefangenen sind ein gängiges Motiv, das z.B. auf Siegelabdrücken der Uruk-Zeit be­geg­net (Edzard 1997, 60; vgl. Green, 27-43, der von Menschenopferdarstellungen aus­geht), ohne dass ein deutlicher Opferkontext vorausgesetzt werden könnte.
 
Die Bestattung von toten Kindern als Bau- bzw. Gründungsopfer ist ein verbrei­teter Ritus, doch bleibt sehr umstritten, ob es sich nicht um natürlich gestorbene Kin­der handelt (Meyer, 225f.), die als „Opfer­gut“ dienten, ohne unter die „Menschen­opfer“ zu fallen (anders Moses 2012, 72f. am Beispiel der neolithischen Funde von Çatal­höyuk mit Ziel der Fruchtbarkeit im Rah­men der Dynastiegründung).
 
Die meisten der genannten Belege stammen aus dem Grabkontext. Anders als z.B. im aztekischen Raum lassen sich keine ikonographischen Hinweise auf Menschen­opfer­rituale beibringen. Überhaupt fehlen Hin­­weise auf Menschenopfer als einer öf­fent­lich begangenen Ritualhandlung. Die An­­­­ge­­wiesenheit auf den Grabkontext macht es notwendig, nicht nur die mitbestatteten Ob­jekte zu analysieren, sondern auch die genaue Position, den Zustand und die Bezo­genheit auf andere Skelette bzw. Knochen sowie die Unterscheidung in Erst- und Zweit­­­bestattung zu berücksichtigen, um Be­stat­tungspraktiken von Opferpraktiken dif­fe­ren­zieren zu können (Porter 2012, 192ff.).
 
3.1. Außerbiblische Belege
 
Der sumerische Text Gilgamesch in der Unterwelt (1. Hälfte 2. Jt. mit älteren Wurzeln) enthält in der aus Nippur erhal­te­nen Fassung eine Liste derer, die den toten Gilgamesch in sein Grab be­glei­teten, darun­ter seine Frauen, seine Kin­der, sein Musi­ker, Entertainer und Friseur. Die Beschrei­bung erinnert an die Gefolgebe­stat­tungen wie sie in den Königsgräbern von Ur belegt sind, ohne dass von einem Men­schen­opfer im engeren Sinn auszugehen ist (vgl. Recht, 7; Green, 86f.).
 
Ein weiterer Beleg für Gefolgebe­stat­tung stammt aus der Ur III-Zeit aus Girsu / Tel­loh, dem Grab der Königin Ninenise, Frau des Urtarsirsira (Recht). Weitere Bele­ge wie z.B. ein Bittgebet aus Ugarit (KTU 1.119, 26’-36’), das in einen Opferkalender Baals eingefasst ist, sind wegen der Textqua­lität uneindeutig, da nicht sicher ist, ob dkr „männliches Wesen“ oder bkr „erstgebo­re­ner Mensch“ zu lesen ist (Bauks 2010, 39f.).
 
In dem hethitischen Brief KBo. 12,62, Zeile 13’-15’ wird missbilligend auf ein Men­schen­opfer Bezug genommen (Wilhelm 1976-80, 61). Besser belegt ist hingegen ein Ersatzkönig (šar pūi )-Ritual, das erstmals in der altbabylonischen Chronik zur Regie­rungszeit des Erra-Imittī aus Isin begegnet (19. Jh. v. Chr.; Glassner 1993, 219f., no. 38-39). Der Text belegt, dass anstelle des Kö­nigs sein Gärtner namens Enlil-bāni in­stal­liert wurde, der, als der König plötzlich starb, in seiner Eigenschaft als Ersatzkönig an seiner Stelle weiterregierte (Green, 88-91; Heller, 413-420 zu Alexander d. Gr.). Wei­tere Beispiele sind hethitischer (Küm­mel 1967) oder neuassyrischer Herkunft, z. Zt. von Asarhaddon und Assurbanipal im 7. Jh. (s. Maul 2000, 10-12). Eine Reihe assyrischer Briefe geben Aufschluss über die Umstände des Ersatz­königtums: Aufgrund bestimmter Sternenkonstellationen wird für einen be­stimm­ten Zeitraum ein Ersatzkönig gewählt, der herrschaftlich ausstaffiert und nach sei­nem Tode königlich bestattet wird und des­sen Tod dazu dient, den amtierenden König vor den angezeigten Übeln zu retten (Küm­mel 1967, 169- 186; vgl. auch Diodor XVII, 116,4). Der Ritus changiert zwischen Ritual­mord und Eliminationsritus und ist da­rin von Menschenopfern zu unter­schei­den.
 
3.2. Alttestamentliche Belege
 
Weiterhin ist 1Kön 16,34 (vgl. Jos 6,26) zu nennen. Der Vers wurde als Bau­opfer zur Neugründung bzw. zum Ausbau von Jericho verstanden, bei dem Hiel aus Bethel seine erst- und letztgeborenen Söhne Abiram und Segub opfert (Stavrakopoulou, 186f., weist darauf hin, dass die Namen der Söhne – ähnlich wie der Name Abraham „[mein] Vater ist erhaben“ – sprechend sind und Erhabenheit signalisieren). Kritisch äu­ßert sich zu alttestamentlichen Bauopfern Fritz (1996, 161, mit Rekurs auf Kaiser 1984; vgl. Noort, 110ff.).
 
Ez 20,25-26 unterstreicht zwar, dass das Kinderopfer (gemeint ist hier ein Erst­lingsopfer; vgl. Mi 6,7) ein nicht mehr JHWH-gemäßer und illegitimer Ritus ist, lässt aber auch erkennen, dass er in der Ver­gang­enheit JHWH – und nicht etwa frem­den Göttern – gegolten hat. Weiterhin wird in Ez 16,20-21 und Ez 23,37-39 auf Kinder­opfer angespielt, diesmal aber im Kontext eines zu verabscheuenden Fremdgötterkults. Offensichtlich nutzen auch biblische Texte das Potenzial des Menschenopfermotivs, um in religiöser und ethischer Hinsicht kultur­bedingte Differenzierungen zu behaupten bzw. einzuführen (Stavrakopoulou, 187-189). (Ende Zitate aus Wibilex).
 
Da es sich bei den „Menschen­op­­fern“ in Sumer in sämtlichen Fällen nicht um Opfer im engeren Sinne, sondern um Ge­folg­schafts­be­stattungen handelt, die in al­len frühen Kul­turen der Welt nicht re­gel­­mä­­ßig, aber in Ein­zelfällen nachgewiesen werden konnten, sollten wir Mesopotamien, also die Kulturen der Sumerer, Akkader, Ba­by­lonier und Assyrer aus den „Verdachts­fällen“ ritu­eller Menschenopferkulte aus­son­­­dern. Ob es Gefolgschaftsbestattungen tat­­­sächlich gab und in wieweit sie unter Zwang oder freiwillig durchgeführt wur­den, wird heute noch diskutiert, und die­se Dis­kussion wird im Weiteren zum Ver­ständnis der Prob­lematik schlaglicht­ar­tig aufgezeigt.
 
Auf mögliche Menschenopfer in Kar­tha­go möchte ich nicht näher eingehen, da dies den geographischen Rahmen sprengen würde, den ich mir gesetzt habe. Nur so viel sei abschließend gesagt: Abgesehen von den erwähnten - allerdings fiktiven – Kinder­op­fern auf dem Tophet-Friedhof sind wohl ei­ni­ge Inschriften gefunden worden, die sehr schwer zu verstehen sind und die man so le­sen könnte, dass man daraus auf Men­schen­opfer schließen könnte - nach anderen Les­arten wiederum nicht. Es bleiben also er­heb­­liche Zweifel an der Rolle Karthagos als „Menschenopferkultur“, aber in Einzel­fäl­len kann man sie nicht völlig ausschlie­ßen. Soweit der Stand der Dinge.
 
         
Franz Böhl[3] stellt kritische Überle­gun­gen an zu den Befunden in den “Royal Tombs“ in Ur (Woolley):
 
Nun muß auch, was die ältesten Gruft­­­anlagen betrifft, ein Unterschied ge­macht werden. Die Zahl der Gräber ist gross; aber nur in zwei eng zusammen­häng­enden Grabgewölben der untersten Schicht fand man die deutlichen Spuren zahlreicher Menschenopfer. Selbst im Grabe des Für­sten Mes-kalam-dug fand sich zwar präch­tigster Goldschmuck, aber keine Spur ge­töteter Menschen. Letztere fanden sich wäh­rend der Kampagne 1927/28 in grosser Zahl lediglich in den beiden ausserge­wöhn­lich grossen und unmittelbar nebeneinan­der, wenn auch auf etwas verschiedenem Niveau liegenden Gruftgewölben… Schon hieraus folgt zugleich die Un­wahr­scheinlichkeit der landläufigen Erklä­rung. Das einem König Harem und Hof­staat ins Grab und ins Jenseits mitgegeben werden, hat Analogien, wenngleich nicht im mesopotamischen Kulturkreis. Das dasselbe von der Königin gelte, ist trotz der hohen Stellung der Frau und Fürstin bei den Sume­rern kaum anzunehmen. Sollte man sie sich als Witwe denken? Oder als selbständige Fürs­tin ? Denn dass es sich bei den Gräbern PG/789 und 800 um ein nacheinander ver­stor­benes Ehepaar handeln sollte, erscheint (selbst bei Annahme eines männlichen Be­gräb­nisses im ersteren) schon durch die Verschiedenheit der Niveaulage ausgeschlos­sen.
 
Über die Vorstellungen der Sumerer vom Zustand nach dem Tode wissen wir wenig. Das man das Leben im Jenseits als direkte Fortsetzung des diesseitigen gedacht hatte, so dass der Fürst seinen Hofstaat, Lu­xus, Dienerschaft im Totenreich nicht ent­behren kann, hat keinen Halt an litera­ri­schen Quellen oder sonstigem archäolo­gi­schem Befund. Selbst von Survivals oder Er­satzzauber nach Art der ägyptischen Uscheb­tis findet sich hier keine Spur.
 
 
Noch unwahrscheinlicher ist die Auf­fassung als Opfer im engeren Sinn, zu Ehren des vergotteten Königs. Dann hätte man die Menschen und Tiere auf einem Altar ge­schlachtet und nicht in der Haltung und mit den Attributen des täglichen Lebens. Blut spielt im babylonischen Opfer überhaupt eine geringe Rolle. Die für Menschenopfer an­geführten Stellen — hauptsächlich Fluch­formeln neuassyrischer Kontrakte — gehö­ren in den nördlich-semitischen Kultur­kreis, ebenso wie auch die Spuren von Erst­geburtsopfern. Wenn Assurbanipal er­klärt, er habe den Rest der Überlebenden von Ba­by­lon als Totenopfer für seinen ermordeten Großvater Sanherib niederge­met­zelt, so ist das bildlich gemeint. Der Ausdruck kispu be­deutet sonst stets das vege­tative Opfer. Woolleys Argument, nur bei der Haupt­person, Sub-ad selbst, stünden die Schalen und Becher des Mahles, so dass nur mit ich­rem Weiterleben gerechnet sei, findet nach unserer Hypothese bessere Erklärung: es ist das Hochzeitsmahl des Gottes oder seines Stell­vertreters, welches in diesem Fall zugleich das Totenmahl war.
 
 
Das Band lag aufgefaltet; kein Schä­del wurde gefunden. Auf Grund dieser Tat­sa­chen hat schon S. Smith die Vermutung aus­gesprochen, dass es sich hier nicht um das Begräbnis einer regierenden Königin, son­dern einer Gottesbraut gehandelt habe. Es handelt sich um die Hochzeitsfeier des unsichtbaren Gottes mit einer menschlichen Priesterin oder Hierodule und um deren Fol­gen: die dramatische Darstellung des [alt­griechischer Ausdruck], welcher für die Braut und ihr Gefolge die höchste Ehre, aber zugleich Tod und Bestattung bedeutet.
 
 
Bekannt sind von den frühesten bis zu den spätesten Zeiten literarische Anspie­lungen und Erwähnungen dieser Götter­hochzeiten, sowie des Raumes, in welchem sie stattfanden. Selbst Herodot wuß­te ja noch, dass sich in der obersten Kapelle des Tempelturms von Babylon ein großes und wohl zubereitetes Ruhebett, sowie ein gol­dener Tisch befanden, und daß der Gott — selbst unsichtbar — hier zu bestimmten Zei­ten mit einer erkorenen Jungfrau den sa­kra­len Hochzeitsritus beging. Dies Haus des Ru­hebettswird in der keilschriftlichen Be­schreibung des Marduktempels aus der Se­leu­kidenzeit erwähnt; es muß der Ort sein, wohin der Gott am letzten Tag des Neu­jahrsfestes „zur Brautschaft eilt“. Ein ent­spre­chendes Gemach und Zeremonien sind für den Nebotempel Ezida bezeugt.
 
 
Der Gedankenkreis scheint uralt. Aus der neusumerischen Periode sind am bekanntesten die Erwähnungen der sakralen Hochzeit des Gottes Ningirsu mit der Him­melstochter Ba'u in der Zylinderinschrift B des Gudea. Anschaulich wird hier beschrie­ben, wie der Krieger Ningirsu gleich einem Wirbelwind in seinen Tempel einzieht, und wie Ba'u gleich der aufgehenden Sonne ne­ben ihn an sein Lager tritt, und wie die Ver­ei­nigung der beiden gleich dem Tigris, wenn sein Wasser hoch ist, an Lagas% Überfluß schenkt. Im folgenden werden dann die Per­sonen namentlich aufgezählt, welche Gu­dea bei dieser Gelegenheit bei Ningirsu unter seinen Befehlen Platz nehmen läßt: Krieger und hohe Beamte, der Wagenlenker und der Eselshirt mit dem heiligen Wagen, Schäfer, Musiker und Sänger, ferner die sie­ben Hie­rodulen.
 
Eine weitere Beschreibung der Göt­ter­hochzeit findet sich in einer Neujahrs­liturgie aus der Zeit des Idin-Dagan von Isin, welche Witzel soeben neu bearbeitet hat. Freilich spielen diese Texte in der Göt­ter­welt, und wir vernehmen nichts über die kultische Nachbildung. Ein Punkt aber ist für unseren Zweck bemerkenswert: die Stät­te, wo das Throngemach mit dem Ruhebett für den König (Dagal-usumgalanna d. i. Tammuz) und die Herrin Innini errichtet wird, ist nicht der Himmel oder ein den Himmel abbildendes Brautgemach auf der Spitze des Tempelturms, sondern die Unter­welt, der Kerker des Landes. Die braut­liche Göttin wird gepriesen als der Venus­stern, der in der Unterwelt zur Ruhe geht.
 
 
So löst sich vom Standpunkt des astra­len Kreislaufs der scheinbar schroffe Widerspruch zwischen Hochzeit und Tod: der Gegensatz zwischen der Freudenfeier auf dem Berge, dem Brautgemach auf luftiger Höhe einerseits und dem Schrecken und Tod im tiefen Grabgewölbe andrerseits, um wel­ches herum ein Friedhof angelegt ward. Der­selbe Tempel, in welchem nach Herodot die Hochzeit des Gottes gefeiert wurde, er­scheint nach anderen (Ktesias, Aelian) als das Grab des Bel. Mit Recht wies S. Smith (a. a. O., p. 149 ff.) in eingehender Unter­suchung auf die doppelte Bedeutung des Ausdrucks gigunu. Es ist seiner ursprüng­lichen Bedeutung nach das dunkle oder nächtliche Gemach (geg-unu), welches man — wo es in Verbindung mit dem Tem­pelturm genannt wird — geradezu mit „Grab­maloder Göttergrab zu übersetzen pflegt. Vor allem an Stellen, die das gigunu im Sonnentempel von Sippar erwähnen, er­scheint es wie eine Laube auf der luftigen Hö­he des Turmes, wahrscheinlich aus ver­gol­detem Zedernholz erbaut, in welche die Götterprozessionen mit Freude und Jubel einziehen: das Gemach der Braut des Son­nen­gottes, welches Hammurabi, wie er sich in der Einleitung zur Gesetzessammlung (H, 28) rühmt, mit Grün bekleidet hat. Doch an anderen Stellen erscheinen diese dunklen Gemächerder ursprünglichen Bedeutung gemäß als Grabstätten, welche in der Nähe des Flusses unter den Fundamenten großer Gebäude angelegt waren. Aus einer Bauin­schrift Sanheribs aus Nineve kann man er­schlie­ßen, dass zu einem solchen gigunu noch weitere Gräber {kimalj.f}e) gehörten, welche  gelegentlich bei Überschwem­mung­en des Flusses zerstört und bloßgelegt wur­den. Wir müssen somit im Sinn des Kreis­laufgedankens zwei sakrale Gemächer unter­scheiden, die nur gelegentlich durch dassel­be Wort angedeutet wurden. Hochzeit ent­spricht Tod; dem Brautgemach auf luftiger Hohe des Turmes entspricht das Toten­ge­mach in der Tiefe eines unterirdischen Ge­wöl­bes eben auserhalb der Temenosmauer.
 
 
In der Inschrift Zyl.B, die wir so­eben wie einen Kommentar zu den Funden in den drei Gräbern aus Ur benutzten, er­wähnt Gu­dea das Beilager des Gottes zwei­mal: erst beim festlichen Einzug in das Hei­ligtum, und dann am Schluß im Haus der Ruhe, wo das Wasser strömt. Dasselbe wird, mutatis mutandis, auch vom Mond­tem­pel in Ur gelten. Auch der Mondgott — Frucht, die sich selber erzeugt, der aber als Neumond Lebenskraft braucht, um wie­der zum Vollmond zu werden — ist nicht ausschließlich eine freundliche Gottheit. Der göttliche Samen beim ispbc, yapioc; ist das Symbol der jährlichen Überschwem­mung: des Wasserschwalls, welcher die brautliche Erde einerseits zwar befruchtet, der jedoch das Kulturland zugleich mit Tod und Verderben bedroht. Die Frau, welche in den Armen des Gottes geruht hat, darf mit ihrem Gefolge nicht am Leben bleiben. Mit Frohlocken zieht sie, gleich der Göttin Ba'u, in den Tempel ein, und ihr Tod bedeutet (vielleicht im Sinne der Stellvertretung) die Befruchtung des Ackerlandes. Hier läßt sich zur weiteren Illustration das Ritual des ba­by­lonischen Neujahrsfestes vergleichen, des­sen Verständnis vor allem Zimmern er­schlos­­sen hat. Im großen Mardukfest, wie es seit Hammurabi gefeiert wurde, sind die lokalen Götterfeste aus alter Zeit, vor allem auch die aus dem Kreis der Tammuz-Mys­terien, zusammengeflossen. In einer 1928 auf holländisch erschienenen Studie über Neujahrsfest und Königstag in Babylon und in Israel“ versuchten wir nachzuweisen, daß hier drei Feiern verbunden wurden : 1. Marduks Leiden und Erlösung, 2. sein Sieg und Thronbesteigung und 3. das Hochzeits­fest. Hiervon dauerten die beiden ersten Feiern je drei Tage, die letzte einen Tag, das Ganze also eine Woche. Was in den fünf Tagen geschah, welche dieser Festwoche vor­hergingen, trug vorbereitenden Charak­ter. Nun ist auffallend, das weder die erste noch die dritte Feier (also weder das Lei­dens- noch das Hochzeitsritual) im großen Textbuch des Neujahrsfestes Enuma elisch berücksichtigt sind. Letzteres steht mit dem Leidensritual geradezu im Widerspruch. Wäh­rend hier (KAR 143 und 219) der im Berge eingeschlossene Marduk durch Ne­bo und die übrigen Götter befreit wird, ist nach dem Epos umgekehrt Marduk der Er­löser der übrigen Götter aus der Gewalt der Chaosmächte. Diese Erlösung erscheint als das Thema der zweiten Feier: der Prozes­sion zum bit akitu, der pantomimischen Dar­­stel­lung des Kampfes und Sieges, der Thron­be­stei­gung und Schicksalsbestim­mung.
 
 
Beim israelitischen Thron­bestei­gungs­­­­fest, wie Mowinckel dies scharfsinnig aus alttestamentlichen Psalmen und Liedern abgeleitet hat, sind Ritual und Gedanken­kreis gleichfalls auf diese Punkte be­schränkt; an die Stelle der Schicksalsbe­stim­mung trat hier die Bundeserneuerung. Das Leidensritual und das Hochzeitsritual aber gehörten ursprünglich, wie es scheint, nicht zu Marduk und noch weniger zu Jahwe. Das Drama beginnt mit der Darstellung des Leidens und Todes, wobei das Wort Tod jedoch absichtlich vermieden oder vorsichtig umschrieben wird. Kraftlos und mit Blut bedeckt weilt der Gott in den beiden Ber­gen, d. i. im Totenreich, der unterirdischen Gerichtsstätte; Wächter sind zu seiner Be­wa­chung bestellt, ein Verbrecher (sein Mörder?) wird mit ihm zugleich abgeführt und getötet. Eine Frau (Göttin?), welche ne­­ben ihm kauert, ist zu seiner Pflege hinab­gestiegen. Die Stadt gerät in Aufruhr; nach der mythologischen Erklärung des Ritus ist die Meinung, das die übrigen Götter das Grab stürmen, um den Götterherrn zu be­freien. Nach seiner Auferstehung erfolgt die feierliche Prozession zum Festhaus außer­halb der Stadt, wo der Kampf mit den mit Tiermasken dargestellten Unterweltsmäch­ten pantomimisch dargestellt wird. Nach der triumphierenden Rückkehr erfolgt im Tem­pel die Thronbesteigung und dann als Hö­he­punkt die Götterhochzeit auf der Spit­ze des Tempelturmes. Sodann wird — so müs­­sen wir für die alte sumerische Periode ergänzen — der Kreislauf wieder geschlos­sen. Daß die Götterbraut mit ihrem Gefolge nicht am Le­ben bleiben konnte, versteht sich für die alte Zeit von selbst. Im tiefen Grabgewölbe er­lei­det sie den Tod in den Armen des unsicht­baren Gottes. (Ende Zitate von Franz Böhl).
 
 
Zu den Überlegungen Franz Böhls zum Königsfriedhof in Ur ist noch anzu­mer­ken, dass Böhl und seine Zeit die Zuver­lässigkeit des Babylon-Berichtes Hero­dots noch nicht in Frage stellten. Dies hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten geän­dert, so dass Herodot nirgends mehr als Zeuge für die Verhältnisse in Babylon ange­führt wird. Siehe dazu mein Aufsatz „Über den Infor­ma­tionswert antiker Quellen“ im Blog der Sumeria-Website (sumeria.at).
 
 
         
Wo und wie wurde Baal verehrt? Nicht in Mesopotamien selbst, sondern in den Randgebieten und in den Teilen der Me­so­potamien umgebenden Welt, mit denen Me­so­potamien in ständigem Kontakt stand. Prof. Dr. Sebastian Grätz hat zu diesem The­­ma auf Wibilex seinen ausführlichen Text „Baal“ (2006) beigesteuert, aus dem ich im Folgenden auszugsweise zitiere. Von Men­schen­­­­opfern ist allerdings nirgends die Re­de:
 
Dafür, dass „Baal“ ursprünglich kei­ne eigenständige Gottheit bezeichnet, spricht, dass die ältesten Belege einer Gottes­bezeichnung „Baal“ aus Götterlisten und vor allem Onomastika stammen, der eigene Kult eines Gottes Baal hier aber nicht belegt ist (Tell Abū alābīch: DINGIR ba4-al, früh­dynastisch; Ebla: theophores Element in Per­sonennamen ba-al 6, logographisch: BE; altakkadisch: Personennamen mit theo­pho­rem Element ba-lí , be-lí ; amurritisch: Per­sonennamen der altbabylonischen Zeit ba‘lu als Prädikat und eigenständiges theo­phores Ele­ment; altassyrischer Gottesname Bē­lum, nicht näher zu charakterisieren, aber von Adad unterschieden; Nachweise bei Schwe­mer, 2001, 502f). Der oben beschrie­bene Sub­stitutionsprozess hat demzufolge auch ei­ne religionsgeschichtliche Dimen­s­ion, die als „Synkretismus“ der Wettergott­gestalten Haddu (Addu , Adad ), Teššub und Ba‘lu in Obermesopotamien und Nordsyrien in der Spät­bronzezeit beschrieben werden kann. Wenn im Folgenden von Baal als eigen­stän­diger Gottheit gesprochen wird, dann han­delt es sich um den Wettergott­typus, der seit der Späten Bronzezeit an ver­schiedenen Or­ten Nordwestsyriens verehrt worden ist und dem eindeutig der Name „Baal“ zugeordnet werden kann.
 
2.1. Ugarit
 
Bezeichnend für die tatsächliche uga­ritische Kultpraxis sind, wie oben ange­deu­tet, die Götterlisten, Opferlisten und Ritual­texte, die den Gott Baal zumeist an dritter Stel­le nach El und Dagan nennen; so z.B. die Götterliste KTU 1.118, wo Baal aller­dings als b‘l pn („Baal-Zaphon“) er­scheint und weitere „Baale“ (b‘lm) erwähnt werden. Die Distinktion der Baalsgestalten im Kult entspricht der tatsächlichen Vereh­rung einer Vielzahl von Baalsgestalten, die im mythi­schen Zusammenhang jedoch auf­ge­hoben ist, wenn schlicht von Baal gespro­chen wird. Lipiński (1995, 80f) vergleicht die verschie­denen Manifestationen Baals mit de­nen der Jung­frau Maria: „Notre Dame de Lour­des, N.-D. de Fatima, N.-D. de Ban­neux, etc.“
 
 
2) Chaoskampf und Gewalt: Das Cha­­os­kampf-Mythem „Baal kämpft gegen Jammu" (v.a. KTU 1.2,IV,7-31;), steht in einem engen Zusammenhang mit der kriege­rischen Gewaltbereitschaft des Wetter­got­tes, die auch dessen Darstellung mit einer Waf­fe zum Ausdruck bringt. Während Mar­duks Kampf im baby­lonischen Schöpfungs­mythos Enuma Elisch auf die Erschaffung der Welt zielt, zeigt Baals Sieg über Jammu, dass er des Königs­amtes würdig ist. Eine denk­bare Interpre­tation des Mythos lenkt daher die Aufmerk­samkeit auf den (mensch­lichen) König und dessen kriegerische Akti­vitäten.
 
 
3) Königtum Gottes: Das göttliche Kö­nigtum wird Baal nach dessen Sieg über Jammu von Anat (KTU 1.3,V,32) und Aschi­rat (KTU 1.4,IV,43f) zugesprochen, um El zu motivieren, dem Baal einen Palast zu erbauen. In KTU 1.4,VII,50ff, proklamiert Baal selbst sein Königtum, jedoch nicht im Zusammenhang mit seinen kriegerischen Ta­ten, sondern als Erhalter und Ernährer von Göttern und Menschen. Dieses Motiv steht in engem Zusammenhang mit der Vor­stellung von Baal als Spender von Regen und Tau, die Feldarbeit und Ernte ermög­lichen, sowie mit seiner aktiven Herrschaftsaus­ü­bung, die er – im Aufbau des Baal-Zyklus – in seinem Pa­last antritt und dann wiederum an Mot ver­liert.
 
4) Lebenserhaltung und Schöpfung: Die schöpferische Lebenserhaltung durch die Gabe von Regen und Tau ist die zentrale Funktion des ugaritischen Wettergottes Ba­al. Dies bezeugen zahlreiche Texte (z.B. KTU 1.4, V,6ff; 1.4,VII,25ff; 1.12; 1.19, I, 38ff; 1.101).
 
2.2.1. Emar
 
Die den ugaritischen in etwa zeitge­nössischen Textfunde aus Emar verraten, dass am mittleren Euphrat der Wettergott sowohl Adda als auch Ba‘lu genannt wurde. Nach Schwemer (2001, 552) zeigt dies, dass Baal den ererbten Namen des Wetter­gottes (Adad / Addu) hier, anders als im sy­risch­palästinischen Küsten­streifen, nicht voll­ständig verdrängen konn­te. Konventionell wird das Logogramm DINGIR IŠKUR je­doch Ba‘lu gelesen.
 
 
2.2.2. Ägypten
 
Die Baalsverehrung in Ägypten ist zu­­nächst wahrscheinlich mit den Hyksos ver­­­bunden, wie ein Rollsiegel aus der Haupt­stadt der Hyksos, Avaris (Tell el- ab‘a) im Nildelta, belegt. Es stammt aus der Zeit um 1800 v. Chr. und zeigt den schrei­­tenden Wettergott auf zwei Berg­gip­feln (s.o. 2.1.4. mit Abb. 2). Eine ägyptische Adaption der Baalsverehrung ist die Iden­ti­fikation Baals mit dem Gott Seth (Sta­del­mann, 1967, 32f), wie sie auch auf der sog. Mami-Stele aus Ugarit greifbar wird. Wei­te­re Evidenz für diese Identifikation bieten Sie­gel und Zeichnungen aus dem (ägyptisch beeinflussten) palästinischen Bereich der Spät­­bronzezeit, die Baal-Seth als Chaosbe­käm­p­fer darstellen: Die Präsentation von Baal-Seth als u.a. Schlangenbekämpfer weist ihn nach Keel / Uehlinger sowohl im ägyp­ti­schen als auch im kanaanäischen Den­ken als Rettergestalt vor den Chaos­mäch­ten aus (Keel / Uehlinger, 1992, 86ff).
 
 
3. Baalsverehrung im 1. Jt. v. Chr. im syrophönizischen und palästinischen Raum: Die vor allem im Gebiet der syro-phö­nizischen Küste nachweisbare Tendenz der Späten Bronzezeit, den ursprünglichen Titel „Baal“ als Namen des Wettergottes zu verwenden, setzt sich im 1. Jt. fort. Im phö­nizisch-kanaanäischen Bereich wird der Wet­­­ter­gott unter dem Namen Baal verehrt, im aramäischen Bereich dagegen unter sei­nem ursprünglichen Namen Hadad / Adad.
 
 
3.1. Phönizien und Syrien
 
Die Belege weisen insgesamt weiter­hin eine Differenzierung unterschiedlicher, z.T. lokaler Baalsgestalten auf. Die phöni­zisch-hieroglyphenluwische Inschrift von Ka­­ra­­tepe (KAI 26) aus dem späten 8. Jh. v. Chr. zeigt ein Nebeneinander des absoluten Gebrauches von Baal und seiner Manifes­ta­tio­nen, wie z.B. dem seit dem 1. Jt. v. Chr. prominenten „Baal des Himmels“, der hier im Fluchabschnitt dem Schöpfergott El vor­geordnet ist. Auf der ande­ren Seite ist an­scheinend b‘l krntrjš , dessen Statue ja auch die Inschrift trägt, als Stadtgott verehrt wor­den, so dass in der Verehrung, wie bereits in Ugarit, verschiedene Manifes­ta­tio­nen Baals ne­ben­einander standen. Auch b‘l dn („Baal von Sidon“), ist eine Stadtgottheit, für die es, wie die Eschmun‘azar-Inschrift zeigt, ei­nen Tempel gab, die aber hinsichtlich ih­rer Funktionen nicht genau zu bestimmen ist.
 
 
Für das Postulat von überregionalen Manifestationen Baals ist der Vertrag Asar­haddons mit dem König Baal von Tyrus aus dem Jahr 683/2 v. Chr. von Bedeutung, der in einer Reihe von Flüchen an erster Stelle der kanaanäischen Götter, noch vor den ei­gent­­lichen tyrischen Stadtgöttern, Melqart und Eschmun, die Baals-Manifestationen „Ba­al des Himmels“ (DINGIR ba-al sa-me­me), „Baal malagê“ (DINGIR ba-al ma-la-ge-e) und „Baal-Zaphon“ (DINGIR ba-al a­pu-nu) nennt. „Baal malagê“ (Lipiński, 1995, 243f,: „Baal des traversées“) ist dabei möglicherweise eine maritime Adaption des über Berge schreitenden Wettergottes, der ikonographisch häufig belegt ist. Die vor­rang­ige Nennung des „Baal-Zaphon“ und des „Baal des Himmels“ weist jedoch auf ei­ne überregionale Bedeutung zumindest die­­ser beiden Götter (Timm, 1982, 238f), die sich für „Baal-Zaphon“ ja schon in Memphis zeigte und die sich auch für den „Baal des Himmels“ im Verlauf des 1. Jt.s v. Chr. nach­­weisen lässt (Byblos, 10. Jh.: KAI 4,3; Umm el ‘Awāmīd, 2.Jh.: KAI 18,7; aramä­isch: Afs, 8. Jh.: KAI 202, A,3f u.ö.). Hinzu kommen, durch die Phönizier vermittelt, wei­tere Belege aus dem gesamten Mittel­meer­­raum, die hier jedoch nicht in den Blick genommen werden können.
 
 
3.2. Palästina
 
In Palästina kommt der Gottesname Baal außerhalb der Bibel lediglich epigra­ph­isch in einer Inschrift aus Kuntillet ‘Aǧrūd (im südwestlichen Negev; [Kuntillet Agrud ]) vor: „Gepriesen sei Baal am Tage des Krie­ges“ (HAE, KAgr [9]: 7,2; 9. Jh. v. Chr.). Die verwendete phönizische Schrift weist wohl auf die Herkunft des Schreibers, der in dem antiken Gebäudekomplex Station mach­­­­te. Personennamen, die „Baal“ als theo­­­­pho­res Element enthalten, sind auf­grund der Samaria-Ostraka (8. Jh. v. Chr.) vor allem in Samaria und seiner Umgebung belegt.
 
Dem Baal-haltigen Onomastikon aus Samaria stehen eine größere Anzahl JHWH­haltiger Personennamen gegenüber, so dass allein aus diesem Befund auf eine gewisse, aber nicht dominante religiöse Rolle Baals in Samaria geschlossen werden kann. Das überlieferte Onomastikon insgesamt verrät für das eisenzeitliche Palästina immerhin so viel: Der Gott Baal hatte in der Benennung von Personen eine gewisse Bedeutung, die aber nur für Samaria, die Hauptstadt Isra­els, im 8. Jh. v. Chr. nachweisbar ist. Der Einzelbeleg aus der Küstenebene (Məad Chă­šavjāhû) zur Zeit Josias (?) besitzt wenig Aussagekraft. Juda selbst ist anscheinend frei von Personennamen, die mit „Baal“ gebil­­det werden (Avigad / Sass, 1997, 489). Der Überblick zeigt, dass im Alten Testa­ment durchaus Baal-haltige Personennamen begegnen, diese aber – entsprechend dem epi­graphischen Befund – vergleichsweise sel­­­­ten sind. Dennoch zeigt das theophore Ele­­ment „Baal“, dass der Kult dieses Gottes in den frühen Zeiten Israels nicht unbe­kannt war oder der Gott vielleicht sogar mit JHWH identifiziert wurde.
 
 
4.2. Baalspolemik
 
Angesichts der Ergebnisse aus 3.2. muss die harsche Polemik gegen „Baal“, die sich an manchen Stellen des Alten Testa­ments findet, etwas verwundern. Ausgangs- oder Kristallisationspunkte der alttesta­ment­­lichen Polemik gegen „Baal“, stets mit Artikel, finden sich in erster Linie in den Erzählungen um Gideon / Je­rub­baal (s.o. 4.1.3.:„Baal-Berit“; 4.1.2.:„Je­­rubbaal“) und um die Dynastie Omri; und zwar hier im Elia-Zyklus und in den Er­zäh­lungen zu der Revolte des Jehu, die da­rauf zielen, den von den Omriden gepflegten Baalskult in Israel zu bekämpfen und auszu­rotten. In der pro­phe­tischen Überlieferung sind die Bücher Je­­remia und Hosea zu nen­nen.
 
 
3) 2Kön 10,15-16.18-30: Die Ausrot­tung des Baalsdienstes durch Jehu. Die iro­ni­sche und blutige Erzählung liegt in der Flucht von 1Kön 16,31.32-33 und 1Kön 18,3ff und schließt den langen Exkurs des Baals­dienstes der Omriden und dessen Bekämp­fung durch Elia (dessen Name „Mein Gott ist JHWH“ bedeutet) ab. Wie oben schon an­gedeutet, tragen diese Erzählungen deute­ro­nomistisches Kolorit und sind deshalb his­­­to­risch nicht ohne weiteres zuverlässig. Dass es eine begrenzte Baalsverehrung im eisenzeitlichen Samaria gegeben hat, zeigen die überlieferten Personennamen aus dieser Region. Doch sowohl die Mehr­zahl der epi­graphischen Personennamen aus Samaria als auch die Tatsache, dass die Söh­ne Ahabs, Aha­sja und Joram, Namen mit JHWH als theo­phorem Element tragen, spricht nicht für einen Vorrang des Gottes Baal in Sama­ria überhaupt und zur Zeit der Omriden im Speziellen. Anknüpfungspunkt für die deu­te­ro­nomistische Baalspolemik, die im Dienst der Untergangsätiologie Isra­els und Judas steht, könnte die Verschwäge­rung Ahabs mit dem sidonischen König Et­baal sein, durch dessen Tochter Isebel quasi das Unheil nach Israel vermittelt wurde.
 
 
4.3. JHWH und Baal
 
Das alttestamentliche Palästina war – we­ni­ge Ausnahmen bestätigen die Regel – im 1. Jt. v. Chr. nicht das Land Baals, son­dern das Land JHWHs. Dass die Baals­po­lemik in bestimmten Teilen des Alten Tes­taments einen breiten Raum einnimmt, ist der deuteronomistischen Geschichtssicht ge­schuldet, die nach der theologischen Ursa­che der Zerstörung Israels und Judas fahn­det. So wurde z.B. in der wahrscheinlich histo­ri­schen Verschwägerung Ahabs mit „Et­baal“ von Sidon über dessen Tochter  Ise­bel ein generelles Einfallstor des Baals­dienstes nach Israel gesehen und zu einer Geschichte der Konkurrenz von JHWH und Baal stili­siert. Der Konkurrent verführte nach dieser Sicht die Einwohner Israels und Judas zum Abfall vom monola­trischen Haupt­gebot, die theologische Ursa­che des Untergangs der bei­­den Staaten. Die lange beo­bachtete Zeich­nung JHWHs mit Hilfe von Motiven des Chaoskämpfers und Kriegs­herrn (u.a. Ex 15,21; Jes 51,9; Ps 29; Ps 46), „Wol­ken­reiters“ (Ps 68,5), Regen- und Tauspenders (u.a. 1Sam 1,21; 2Kön 18; Jes 5,6; Jer 14f), „verschwundenen Gottes“ (Hos 4ff), theo­phanen Bergnumens (u.a. Dtn 33,2; Ri 5,4-5; Am 4,13b; Hab 3,3-6. Ps 48,3; Ps 97), Gottkönigs (u.a. 1Kön 22,19-22; Jes 6; Ps 47; Ps 93; Ps 97) usw. nimmt auf der anderen Seite Motive auf, die auch für Baal über­lie­fert sind, die aber insgesamt dem „Syn­kre­tismus“ der Wettergottgestalten in Ober­me­sopotamien und Nordwestsyrien seit der spä­ten Bronzezeit (s.o.1.) entstammen dürf­ten. (Ende der Zitierungen von Grätz).
 
 
         
Nachdem ich bisher mit Hilfe ver­schie­dener namhafter Autoren nachweisen konn­te, dass es Menschenopfer in Mesopota­mien und auch einen auf Menschenopfer aus­ge­rich­teten Baalskult offensichtlich nicht gege­ben hat, möchte ich abschließend noch aus­führlich auf die Bewertung der einzigen Re­likte in Mesopotamien eingehen, die die Kri­te­rien „Menschenopfer“ erfüllen, wenn auch nur sehr speziell und am Rande, und die normalerweise überhaupt nicht in Be­tracht kommen, wenn wir allgemein von Menschenopfern sprechen. Dr. Helga Vogel (FU Berlin) hat sich in ihrer Dissertation von 2008, aus der ich im Folgenden zitiere, ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Es geht wieder um unser Eingangsthema, die Königsgräber von Ur:
 
 
Als Erster äußerte sich Sidney Smith (1928). Er verband die Befunde der Schacht­gräber RT.789 und RT.800 mit religiösen Riten (Fruchtbarkeitskult), die womöglich an­­läßlich von Neujahrsfeierlichkeiten ausge­führt wurden. Smith hielt es insbesondere für unwahrscheinlich, dass 'Menschenopfer' bei der Bestattung einer Königin zu erwar­ten seien. Smith: " Menschenopfer am Grab einer (verwitweten?) Königin müssen unge­wöhn­lich und in einem östlichen Land schwer zu erklären sein " (Smith 1928: 863).
 
 
Zum Beitrag Böhls[4]  äußerte sich 1931 zunächst Benno Landsberger im Rah­men seiner Besprechung der von C.J. Gadd und L. Legrain 1928 publizierten Texte (Ro­yalInscriptions) aus Ur. Landsberger argu­mentiert, "dass nin in sumer. Zeit Korrelat zu lugal ist, was aus zahllosen, einander kor­respondierenden Personennamen mit Lu­­gal- bzw. Nin- hervorgeht. Dies spricht entschie­den dafür, dass auch die bekannte SUB-at [= Pû-abī] wirklich Königin war und nicht Hohep­riesterin des Mondgot­tes, wie Böhl (...) annimmt. Jedenfalls kennen schon die Gräberfunde für >hohe Priesterin< nin-din­gir; andererseits wurde die Ho­he­pries­terin des Nannar niemals nin-dingir, son­dern en genannt (...)" (Landsberger 1931: 126-127).
 
Wenig später reagierte Friedrich Blo­­me in seinem 1934 erschienenen Werk Die Opfermaterie in Babylonien und Israel auf die Vorschläge von Böhl. Blome notiert hin­sichtlich der 'Leichenfunde in Ur': "Nach allem möchte man es für wahrscheinlicher halten, dass die in den Grabgewölben getö­teten Menschen ihr Leben lassen mussten anlässlich des Begräbnisses der fürstlichen Herrschaften. Eine andere Frage ist dann aber, ob solche Massenschlachtungen als Men­­schenopfer zu gelten haben. Zwar be­stand die Neigung, die Könige nach ihrem Tode, wenn auch wohl in einem unterge­ord­neten Range, dem Pantheon einzureihen. Aber wenn das die ratio gewesen wäre für die ­Tötung von Menschen, so würden wir erst recht für die Götter höheren und höchsten Ranges dies wertvollste Opfer er­war­ten. Nun treffen wir aber auch anderswo den Brauch, verstorbenen Kriegern und Kö­ni­gen ihre Frauen, ihren Hofstaat und ihre Dienerschaft ins Grab nachzuschicken, da­mit sie in den himmlischen Gefilden Bedie­nung haben; in diesem Falle ist es nicht berechtigt, von Menschenopfern zu spre­chen. Man wird immer noch am besten von hier aus die Leichenfunde in denGräbern von Ur erklären dürfen" (Blome 1934: 413).
 
 
Im gleichen Jahr - 1934 -, in dem Blomes vorgenannte Monographie erschien, legte Sir Leonhard Woolley die Endpubli­ka­tion des Royal Cemetery vor. Für Woolley sind, wie schon erwähnt, neben den Beson­derheiten der Anlage der Gräber (tiefer Schacht und Grabkammer) vorrangig die 'Men­­schenopfer' ("human sacrifices" respek­tive "victims") das wichtigste Argument für seine von Anfang an vertretene Ansicht, dass es sich bei den 16 Schachtgräbern des Royal Cemetery um Royal Tombs handelt. "Human sacrifices", so der Ausgräber, kommen aus­schließ­lich in Verbindung mit Grabkam­mern vor, sie sind kein Vorrecht einer ledig­lich wirtschaftlich priviligierten Klasse, da sie in überaus reich ausgestatteten sog. Pri­vatgräbern niemals vorkommen und sie sind auch kein Privileg eines Geschlechts. Da­rum: "Es muss ein Attribut des Königtums sein, und da da Opfer Gottheit bedeutet, im­pliziert dies, dass für die Sumerer das Kö­nig­tum, das, in den Worten der Königs­listen 'von oben herab gesandt wurde', ein Element der Göttlichkeit war (...)"(Woolley (UET II) 1934: 41). Hinsichtlich des Status der sog. Gefolgsleute notiert Woolley zu­nächst: "(...) Der Hauptbewohner der Stein­kammer war mit genau den Dingen aus­gestattet mit eben jenen Dingen, die in den Privatgräbern unveränderlich sind und als notwendiges Mobiliar der Toten erscheinen, während die Untergebenen nichts derglei­chen haben; sie befinden sich nicht einmal in der Haltung, in der die Toten immer auf­gebahrt wurden; er behält also seine Persön­lichkeit, sie aber nicht - Sie sind ebenso sein Eigentum wie die Becher und die Speere, die Ochsen und die Harfen; es ist nicht ihr Begräbnis, und deshalb bedürfen sie nicht der Versorgung, die ihm zusteht: die Haupt­person wird begraben; die übrigen werden nicht begraben, sondern zu seiner Ehre ge­opfert" (Woolley (UET II) 1934: 38). Wool­ley geht davon aus, dass die 'mitbestatteten' sog. Gefolgsleute durch eine Gifttrankgabe zu Tode kamen.Nachdem Woolley einerseits die 'Gottähnlichkeit' der sumerischen Köni­ge in seiner Argumentation weiter befestigt hat (in Auseinandersetzung mit den Ideen von Smith und Böhl), andererseits - und zwar aufgrund der Befunde der RTs.789/800 – das Erscheinungsbild der sog. Gefolgsleute als das eines Hofstaates (respektive des Haus­halts des Königs oder der Königin) bestimmt hat, hinterfragt er jedoch den 'Opfer-Status' der Menschen, die mit einer Hauptbestattung 'mitbestattet' wurden, und postuliert, " dass es sich um ein Privileg und nicht um ein über sie verhängtes Unheil han­delt " (Woolley(UET II) 1934: 42). Woolley argumentiert: "Möglicherweise ist das Wort 'Opfer' in diesem Zusammenhang irrefüh­rend. Ich habe darauf hingewiesen, dass den Männern und Frauen, die sich in der Todes­grube drängen, offenbar keine Gewalt ange­tan wurde, sondern dass sie in aller Ruhe von der bereitgestellten Droge tranken und sich zum Schlafen niederlegten. Mir scheint es wahrscheinlicher, dass sie nicht zu Ehren des toten Königs getötet wurden, auch nicht, weil ihre Dienstzeit mit seinem Leben enden musste, sondern dass sie mit ihrem gött­lichen Herrn mitgingen, um ihren Dienst unter neuen Bedingungen fortzuset­zen, wobei sie sich möglicherweise sogar ei­ner weniger nebulösen und elenden Existenz in der jenseitigen Welt versicherten, als es das Los der Menschen war, die auf gewöhn­liche Weise starben (...) Es scheint mir wahr­scheinlich, dass die Mitglieder des königlichen Hofes, die mit ihrem König ging­en, in eine höhere Sphäre des Dienstes versetzt wurden und so einen Vorteil gegen­über den einfachen Menschen hatten." (Wool­ley (UET II) 1934: 42). Hinsichtlich der weiblichen Hauptbestattungen veran­kert Woolley sein Argument, dass diese re­gierende Königinnen gewesen seien, vor­rang­ig im sumerischen Titel 'nin', der in der Inschrift des Siegels der Pû-abī bezeugt ist; der 'divine status' der Königinnen wird in Woolleys Argumentation aber weiterhin nicht näher besprochen.
 
 
Anton Moortgat hat sich im Rahmen seiner Monographie Tammuz – der Unsterb­lich­keitsglaube in der altorientalischen Bild­kunst, erschienen 1949, im Abschnitt "Sume­rischer Totenglaube" zu einzelnen Royal Tombs geäußert. Grundsätzlich geht Moort­gat hinsichtlich der Interpretation der Royal Tombs davon aus ,dass "ihre Gesamtanlage und die in ihnen festgestellten Massen­be­stattungen nur aus einem mit dem Tammuz-Mysterium zusammenhängenden Totenglau­ben zu begreifen sind" (Moortgat 1949: 54). Ausführlich beschäftigt sich Moortgat mit dem Grab RT.789. Im Gegensatz zum Aus­gräber vertritt Moortgat die Annahme, dass das Grab nicht bei der Anlage des Schachtes respektive der Grabkammer der Pû'abī (RT.800) durch die Kuppel der Grabkam­mer ausgeraubt wurde, sondern dass die Grab­kammer dieses Grabes absichtlich im Zusammenhang eines Ritus des 'Tammuz-Glaubens' geöffnet wurde. Moortgat: "PG 789 muss das Grab eines Königs sein, der bei Neujahrsfesten der Vertreter des Tammuz war, der bei seinem Tode nicht als König, sondern als Gott Tammuz sein gesamtes Ge­folge mit in die Unterwelt nahm. Er stirbt nicht endgültig, wird vielmehr wie der Gott seine Auferstehung feiern. Diese wird sym­bolisch vollzogen durch Aufbrechung seiner Gruft und Enfernung seines Sarges und seiner Leiche. (...) Sie [die Okkupantin der Gruft RT.800, ob Königin oder Hohepries­terin lässt Moortgat offen] hatte im Leben die Innin, die Muttergottheit zu vertreten. Ihr Tod mag als diejenige Episode im Tam­muz-Mythus empfunden worden sein, die wir aus den spätsumerischen Liedern der Höllenfahrt der Ischtar kennen. Die tote Kö­nigin fährt zu ihrem Gatten in die Un­terwelt; auch sie nimmt als Vertreterin der Innin ihr gesamtes Gefolge mit in das Jen­seits. Vielleicht feiert sie mit ihm dort noch einmal symbolisch die Hochzeit, bleibt dann aber beigesetzt in ihrer Gruft 800, ebenso wie auch sämtliche Gefolgsleute in der Un­ter­welt bleiben. Sie feiern keine Wieder­geburt. Wenigstens werden sie nicht sym­bolisch in das Leben heraufgeholt" (Moort­gat 1949: 65-66). Hinsichtlich der sog. Ge­folg­schaftsbestattungen notiert der Autor: "Alles wird verständlich mit Hilfe dessen, was wir über den Tammuz-Glauben und sei­nen Kult, vor allem die Feier der heiligen Hochzeit wissen. Auch versteht man, warum so viele Menschen ohne Bedenken in den Tod gehen konnten; sie gehen nicht in einen Tod, der ein Endzustand ist, sondern Über­gang zu neuem Leben, sowie es ihr König und Gott Tammuz verkörpert. Wir brau­chen also bei der Deutung derSchachtgräber nicht mehr an ein barbarisches Menschen­opfer zu denken, das in seiner Primitivität zu einer so hohen Kulturstufe wie sie die Ur I-Zeit erreicht hatte, nicht mehr passen will" (Moortgat 1949: 66). Moortgat versucht sei­ne Ideen im weiteren Verlauf der Darstel­lungen des vorgenannten Werkes anhand der Grabanlagen RT.1050 und RT.1054 und der sog. Todesschächte zu verifizieren, je­doch will Moortgat dies nicht so recht gelingen; er kann de facto keinen weiteren 'Beweis' für ein absichtliches Aufbrechen eines Grabes und die Heraufholung eines 'Tammuzvertreters' erbringen.
 
 
Die Diskussion über die Befunde des Royal Cemetery startete erst wieder 17 Jahre nach Moortgats vorgenannter Publikation mit der 1966 erschienen Dissertationsschrift von Hans J. Nissen. Nissen hat in seinen verschiedenen Beiträgen zum Royal Ceme­te­ry (vgl.Nissen 1966, 1990, 1991, 1999a, 1999c, 2000a) den Reichtum an Gegen­stän­den aus Edelmetallen, Kupfer, Bronze und Elektron, aus Halbedelsteinen und anderen farbigen Steinen, aus Muschel und verschie­denen Steinsorten, die in den Gräbern des Friedhofes entdeckt wurden, als Zeugnis für weitgespannte und offensichtlich ungestörte Handelsbeziehungen in den frühdynasti­schen Perioden gedeutet. So gut wie alle vor­genannten Rohstoffe kommen in Babylonien bekanntlich nicht vor und müssen also im­por­tiert werden. Nissen erkennt im Zeugnis der vorgenannten wertvollen Inventare der Gräber des Royal Cemetery darum auch ein Gegenargument zum Bild des Frühdynasti­kums als einer Zeit der äußeren Unruhe, wie es die Herrscherinschriften, die vorrangig Be­richte über militärische Erfolge ent­halten, entwerfen. Weiterhin vertritt Nissen die These, dass, weil man wertvolle Gegen­stände aus Edelmetallen und Halbedel­stei­nen nicht nur in den Royal Tombs fand, son­dern zum Teil auch in Privatgräbern, "man von einer größeren Streuung des Reichtums ausgehen können wird" (1999a: 55). Nissen kommt vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass der von Woolley aufgedeckte Royal Cemetery eine kommunale Begräb­nis­stätte war und folgerichtig also nicht nur "als Begräbnisstätte (...), beschränkt auf Bestat­tungen von Personen die mit den Bewoh­nern der Königsgräber institutionell ver­wandt waren [genutzt wurde]"  1991: 186). Nissen hält die sog. Gefolgschaftsbestat­tung­en für eine Sitte, da sie immerhin mehrere Generationen umspannen. Nissen erklärt, dass "ganz offenbar (...) die Absicht bestand, den Hauptpersonen einen angemessenen Die­­nerstab mit ins Jenseits zu geben. Das lässt uns darauf schließen, dass es sehr kon­kreteVorstellungen über ein Leben nach dem Tode gab, denen zufolge das Leben in ähnlichen Bahnen wie auf der Erde nur in einer anderen Welt verlief" (Nissen 2000a:7). Im Verlauf seiner weiteren Argumentation bezieht Nissen sowohl die Grabanlagen selbst als auch ihre Inventare und auch die 'Mitbestattungen' der Royal Tombs auf den Ausbau von persönlichem Prestige der Macht­haber Urs sowie ganz insgesamt auf das Ziel der Machterhaltung der Herrschen­den. Die letztgenannten Vorgänge bleiben, so Nissen, vor einem sich verändernden so­ziopolitischen Hintergrund zu rezipieren, der durch starke Landflucht, ausgelöst durch klimatische Veränderungen, einer Kon­zentration der Bevölkerung in den urba­nen Zentren sowie der Notwendigkeit, den Umfang an bewässerbarer Ackerfläche zur Versorgung der Bevölkerung zu erhöhen, gekennzeichnet ist. Die vorgenannten Fak­to­­ren führten dazu, dass die jeweiligen städtischen Eliten "ihre bereits bestehende weit­reichende Kontrolle über die Produk­tion von Nahrungsmitteln und sonstigen Gü­­tern weiter (...) ausdehnen konnten. Gleichzeitig bedeutet das aber einen unge­heu­eren Zuwachs an Macht und Reichtum für die zentralen Stellen bzw. für den Herr­scher" (Nissen 2000a: 13). Nissen weiter: "Die weitere Anhäufung von Reichtümern in den vorgenannten Institutionen führte zu einer Art von demonstrativem Konsum, der lediglich den Zweck verfolgt, Prestige zu erhö­h­en und andere auszustechen. In die­sem Sinne sind vermutlich die prächti­gen Bei­gaben aus edlen Metallen und Steinen ne­ben einer großen Fülle alltäglicher Gegen­stände zu verstehen, die in den Königs­grä­bern in Ur lagen. Aber auch dieser demons­tra­tive Konsum lässt sich nicht uferlos stei­gern, so dass es dann in einer maßlosen Über­steigerung zum demonstrativen Kon­sum von menschlichem Leben kommt: die Gefolgschaftsbestattung wäre somit als letzte Steigerung eines nach außen gezeigten Pres­ti­ge­bedürfnisses zu verstehen" (Nissen 2000 a: 13-14). Das Ende der großen Schacht­grab­anlagen in Ur und damit auch das Ende der sog. Gefolgschaftsbestattungen bringt Nis­sen mit einer während der FD-IIIB-Zeit sich verändernden politischen Landschaft in Verbindung. Das Prestigebedürfnis der Herr­­scher findet in den Kämpfen um die Durchsetzung territorialer Machtansprüche neue Ventile. Nissen nimmt an, dass "die ge­nannten Übersteigerungen nicht zu dem neu­en Bild der Herrschaft passten" (Nissen 2000a: 14).
 
11 Jahre nach der 1966 publizierten Dissertation von Nissen, wurde die Diskus­sion über die Befunde des Royal Cemetery erneut aufgenommen. P.R.S. Moorey veröf­fentlichte 1977 in der Zeitschrift Expedition einen längeren Artikel zu den Befunden der Royal Tombs in Ur mit dem Titel "What do we know about the people buried in the Royal Cemetery?", der recht einflussreich werden sollte. Moorey problematisiert in dem vorge­nannten Artikel die Annahme Woolleys, dass in den großen Schachtgrabanlagen Kö­ni­ge und Königinnen bestattet worden sei­en. Stattdessen erscheint Moorey ein sakra­ler Hintergrund (Kult um den Mond- und Stadtgott Nanna) für die aufwendigen Be­stat­tungen wahrscheinlicher. Die weibli­chen Hauptbestattungen der Royal Tombs seien darum möglicherweise doch Priester­in­nen, genauer Priesterinnen, die für einen begrenzten Zeitraum als Gattin des Gottes Nan­na fungierten. Für die männlichen Haupt­­bestattungen der Royal Tombs nimmt Moorey hingegen (mit Woolley) einen ver­gött­lichten Status an. Moorey geht zunächst von den Befunden der steinernen Grabkam­mer, die Woolley auf dem Boden des Schach­tes RT.1054 freilegen konnte, aus. In dieser Grabkammer fand man eine ungestör­te weibliche Hauptbestattung, im Zentrum der Kammer liegend und bedeckt mit Gold­schmuck, in den Händen ein Goldgefäß hal­tend und weiterhin ausstaffiert mit einem Gold­siegel, welches mit Bankettszenen de­ko­riert ist. Sie war von vier sog. Gefolgs­leu­ten umgeben. Moorey fragt: " Ist es möglich, dass diese königliche Dame sie [= die männ­lichen Hauptbestattungen der Schachtgrab­an­lagen] kraft eines anderen Amtes als das der Königin von Ur verdient hat?“ (Moorey 1977: 33). Seine Argumentation führt Moorey fort, indem er die Geschlechterverhältnisse der sog. Gefolgschaftsbestattungen unter­sucht und zu dem Schluss gelangt: "Die gro­ße Anzahl von Frauen unter den Opfern ist trotz dieser unregelmäßigen Belege eindeu­tig und möglicherweise ein wichtiger, wenn auch schwer fassbarer Hinweis auf den besonderen Charakter einiger dieser Bestat­tungen " (Moorey 1977: 35). Das vorgetragene Argument führt Moorey nunmehr aber nicht weiter aus, sondern er wendet sich Texten zu, die einerseits Auskunft über den Tod von Hohenpriesterinnen des Nanna, andererseits über mögliche sog. Gefolgschaftsbestattung­en beim Tod eines Stadtfürsten/Königs ge­ben können sollen. Er zitiert eine Passage aus der Dichtung The Exaltation of Inanna = NIN ME ŠARA der akkadischen Prinzes­sin und Hohepriesterin des Mondgottes Nan­na, Eneduanna. Die entscheidende Zei­le (= Zeile 99) lautet in der von W.W. Hallo besorgten Übersetzung von 1968: "(...) Beim Klang meines heiligen Liedes sind sie bereit zu sterben" (Hallo 1968, zit. n. Moo­rey 1977: 38); es spricht Eneduanna. Moo­rey weiter: "Der Übersetzer hat die Vermu­tung geäußert, dass es sich bei der letzten Zeile um eine Anspielung auf das Begräb­nis­ritual handeln könnte, an dem ein ganzes Gefolge zusammen mit einer "Königin" oder Hohepriesterin beteiligt war, wie Woolley festgestellt hat " (Moorey 1977: 38). Es ist bekannt, notiert Moorey, dass die Hohen­pries­terinnen des Mondgottes von könig­li­chem Blut waren und in einem besonderen Gebäude, dem gipāru, als "menschliche Frau von Nanna, die seine göttliche Frau Ningal vertritt", residierten. "Es gibt spärliche ar­chä­o­logische Beweise für die Existenz der gipāru bereits in der frühdynastischen Zeit; aber es gibt keine inschriftlichen Belege aus dieser Zeit, die mit Sicherheit eine Hohe­pries­terin von Nanna nennen" (Moorey 1977: 37). Anschließend diskutiert Moorey die berühmte Stelle aus der sumerischen Dich­tung Gilgamesh's Dream and Death respek­tive 'The great wild bull is lying down', wel­che von der Bestattung des Gilgameš in seiner steinernen Grabstätte, die unterhalb des Flußes Euphrat liegen soll, handelt. Strittig ist, ob mit Gilgameš auch sein sog. Hof­staat beigesetzt wird oder eben nicht. Moorey argumentiert, dass wegen Unsicher­heiten in der Übersetzung und vor allem auf­grund der Tatsache, dass die Grabkammer der Pû-abī einige Zeit nach der Bestattung ihres Gatten in RT.789 (wird mit Woolley nunmehr wieder vorausgesetzt) angelegt wur­­de, keine weitreichenderen Schlüsse aus den zuletzt genannten Texten gezogen wer­den können. Moorey: "Kurzum, der "Tod des Gilgamesch" lässt nicht vermuten, dass die sumerischen Herrscher ihre Haus­halte wie selbstverständlich in die "Todes­gruben" nahmen. Der Schlüssel zu diesen Gräbern in Ur, die anderswo im Irak immer noch ohne Parallele sind, liegt vielleicht nicht so sehr in Fragen des "Königtums oder der Monar­chie", wie wir sie uns heute vor­stellen, son­dern in einer speziellen Kult­praxis in Ur, die sich insbesondere auf den Gott Nanna be­zieht" (Moorey 1977: 39). Zu­sam­menfassend kommt Moorey zu folgen­dem Ergebnis: "Die Bestattung mit mensch­lichen Opfern wie auch die Primärbe­stattung ist eindeutig ein besonderer Ritus für besondere Men­schen - aber was machte sie so beson­ders? (...) Bei den Männern mag es eine Frage des Ausmaßes sein, in dem sie im Leben einen göttlichen oder halbgött­li­chen Status ange­nommen hatten, wie einige der Herrscher der späteren Dritten Dynastie von Ur. Bei den Frauen ist der Fall noch kom­plexer und hängt möglicherweise nicht so sehr davon ab, ob sie 'Königinnen' im modernen Sinne waren oder nicht, sondern eher davon, ob sie für einen bestimmten Zeit­raum ihres Lebens 'Frau von Nanna' oder einen ver­gleich­baren Rang in der Tem­pelhierarchie von Ur innehatten oder nicht." (Moorey 1977: 40). Als einzigen Beleg für die letzt­genannte Annahme kann Moorey aber nur die oben zitierte Zeile aus der Dichtung der Eneduanna in der zitierten Überset­zung von Hallo anführen.
 
 
Etwa zeitgleich mit Moorey beschäf­tigt sich Charles L. Redman in seiner Mono­gra­phie The Rise of Civilization (1978) auch mit dem Royal Cemetery in Ur, jedoch von ande­ren Problemstellungen als Moorey aus­gehend. Redman bezieht die Befunde der Royal Tombs auf Fragen der Konstituierung von Herrschaft und bemerkt, dass "auch wenn nachgewiesen werden kann, dass reli­giöse Zeremonien mit dem Auftauchen und Verschwinden von Menschen- (und Sach-) opfern in großem Umfang in der zweiten Hälf­te der frühdynastischen Zeit zusammen­hingen, so erklärt diese Dokumentation doch nicht hinreichend, warum das Phäno­men auftrat" (Redman 1978: 297). Seine zentrale These lautet: Die aus den materiel­len Befunden deduzierbaren Bestattungsri­tu­ale der Royal Tombs sind politische Ritua­le, die der Stabilisierung und der Fort­setz­ung bestehender Herrschaftsverhält­nis­se dien­ten (dienen sollten). Die Strategie der Verschwendung respektive Zerstörung von Res­sour­cen (Waren und Menschen) muss folgerichtig in Hinblick auf die symbolische Konstruktion von Herrschaft im frühdynas­ti­schen Ur untersucht werden. Seine Argu­men­te zusammenfassend notiert Redman: " Die besondere Bedeutung, die diese opulen­ten Bestattungen für die Entstehung der welt­lichen Macht hatten, war wohl eines von vielen Instrumenten [Redman geht davon aus, dass in der Ğemdet-Nar-Zeit und in der FD-I-II-Zeit die Macht bei den Tempel­eliten lag]. Die Könige waren mächtig ge­nug, um während ihrer Regentschaft große Mengen an Reichtum anzuhäufen, aber die Institution war nicht so mächtig und gere­gelt, dass sie sich selbst erhalten konnte. Es waren immer noch Rituale erforderlich, um die Autorität des Königs in Zeiten der Nach­folge aufrechtzuerhalten. (...). Die kurze Periode der Menschenopfer zeigt auch die Macht und den Reichtum der neuen herr­schenden Klasse und wie weit sie gehen wür­de, um ihre Macht zu erhalten. Was in klei­nem Rahmen begonnen hatte - das rituelle Op­fern von Reichtum im Tausch gegen einen anerkannten Status - wurde immer wei­ter ausgebaut, bis es schließlich große Bedeu­tung erlangte. Die Nachfolge der Kö­ni­ge schien gesichert zu sein, allerdings zu einem hohen Preis in wirtschaftlicher und mensch­licher Hinsicht" (Redman 1978: 298). Und weiter: "Als die Position des Königs in der zweiten Hälfte der frühdynastischen Pe­ri­ode fester etabliert war, gab es weniger Not­wendigkeit für diese verschwenderische Form der rituellen Bestätigung". (Redman 1978: 298).
 
 
Petr Charvát hat sich 1982 zum Roy­al Cemetery in einem längeren Aufsatz geäu­ßert. In seiner 2002 publizierten Monogra­phie Mesopotamia before History befasst er sich mit diesem noch einmal unter verän­der­ter Perspektive. Im 1982 veröffentlichten Ar­tikel Early Ur - War Chiefs and Kings of Early Dynastic III beschäftigt sich Charvát mit dem Zustandekommen der reichen In­ven­tare der Royal Tombs und mit der Frage der Identität der Hauptbestattungen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen lautet: "Der "königliche Friedhof" zeugt von der immensen Menge an Schätzen, die in frem­den Ländern gewonnen wurden, während die Gräber, in denen die Reichtümer kon­zen­triert sind, als die der Kriegshäuptlinge oder ihrer engsten Verwandten gedeutet wer­den können" (Charvát 1982: 52). Die Argu­mente lauten: 1. Es fehlen Hinweise für eine Intensivierung der Landwirtschaft im ED-III-zeitlichen Ur. Im Gegenteil, so Char­vát, "Es wurde festgestellt, dass die zu­nehmende Versalzung des Bodens, die durch intensive Bewässerung verursacht wurde, zu unerwünschten Ergebnissen führte, die be­reits um 2500 v. Chr. spürbar waren: Die landwirtschaftlichen Erträge gingen zurück, es gibt Hinweise auf Unkraut im Mais und die Umstände, die dazu führten, dass die Ger­ste, die toleranter gegenüber dem Salz­gehalt des Bodens ist, dem Weizen vor­ge­zogen wurde." (Charvát 1982: 45). Die Erwirt­schaftung eines ökonomischen surplus wäre aber die Voraussetzung für eine Aus­weitung und Verstärkung des Handels gewe­sen. Charvát: "Nun ist bekannt, dass die Sume­rer im Austausch gegen fremde Mate­rialien nur landwirtschaftliche Produkte anbie­ten konnten. Um alle genannten Mate­rialien [= Metalle und Halbedelsteine] zu erhal­ten, hätte die Landwirtschaft in Ur erheb­lich intensiviert werden müssen. (...) Kurzum, es scheint unwahrscheinlich, dass der Reichtum von ED III Ur durch wirt­schaftliche Intensivierung oder durch Han­del angehäuft wurde" (Charvát1982: 45). Wahr­scheinlich ist deswegen, so der Autor, dass der in den Gräbern des Royal Cemetery angetroffene Reichtum zustande kam durch "militärische Ausbeutung fremder Länder, mög­licherweise direkt durch bewaffnete Ak­tionen gegen sie und indirekt durch die Erhe­bung von Tributen und den Erhalt von Geschenken als Zeichen politischer Bünd­nisse" (Charvát 1982: 46). Charvát weiter: "Abgesehen von den tatsächlichen Waffen­funden hilft uns hier die Standarte von Ur, eine Bildquelle von größter Bedeutung. Dies wird durch mehrere Darstellungen von Kampf- und Tributszenen (?) auf Siegelab­drücken unterstützt, die im SIS 4-5 gefun­den wurden und die das Substrat mit "Kö­nigs­­gräbern" unterlegen und zeigen, dass der Prozess der Militarisierung während ED II begann." (Charvát 1982: 47). Charvát führt nunmehr aus, dass die Darstellung der urä­ischen Armee in den entsprechenden Bilder­folgen der 'Standarte' " ihre erklärte Rolle als Angriffstruppe zeigt und ihre Aggressivität deutlich macht. Da die Ur-Armee in erster Linie als Angriffstruppe konzipiert war, fehl­te es ihr an geeigneten Einrichtungen zur Verteidigung." (Charvát 1982: 47). Insbe­sondere weist Chárvat in diesem Zusammen­hang auf das Fehlen von Schildern hin und führt weiterhin an, dass Kampfwagen, wie er meint, zwar eine ausgezeichnete Angriffs­waffe seien, nutzlos aber in Hinblick auf ei­ne Verteidigung. Charvát weiter: "Erfolgrei­che Feldzüge im Ausland müssen das An­sehen und die Autorität von fähigen und effi­zienten Kriegsführern erhöht haben (...) und sie müssen Veränderungen in der Um­ver­teilung des Reichtums durch eine diffe­renzierte Aufteilung der Beute und der Ge­win­ne aus den Tributen der eroberten Län­der bewirkt haben. (...) Die ungleiche Ver­tei­lung des Reichtums innerhalb der Gesell­schaft gab reicheren Individuen die Mög­lich­keit, private Grundstücke zu erwerben." (Charvát 1982: 50). Die bereits in der ED-II-Zeit beobachtbare soziale Stratifizierung der uräischen Gesellschaft schreitet solcher­weise voran. Gleichzeitig eröffnen sich für den "war chief", der ursprünglich ein Ange­hö­riger des Tempelhaushaltes gewesen sein muss, so Charvát, sukzessiv Möglichkeiten zum Ausbau seiner Machtbasis mit der Op­tion, ein vom Tempel unabhängiges Macht­zentrum zu erschaffen, welches auf militä­rischer Macht und der Abhängigkeit, der Treue und der Verpflichtung von Individuen basiert, die ihre Privilegien dem "war chief" verdanken.
 
 
20 Jahre später spricht Charvát im Rah­men seiner oben genannten großen Mono­­graphie hinsichtlich der Identität der Hauptbestattungen der Royal Tombs nur noch sehr unspezifisch von "charismatic per­sons" respektive "charismatic leaders" (Char­vát 2002: 227-228). Die Befunde der Royal Tombs bezieht Charvát nunmehr auf Prozes­se der Institutionalisierung von Herrschaft und zwar auch im Sinne einer Selbstdefi­nie­rung und Ausformulierung des Statuses der gesellschaftlichen Elite(n) Urs. Die in den Befunden sich abzeichnenden Glaubensvor­stellungen verbindet Charvát dabei mit eli­tä­ren Anstrengungen, welche auf eine Sakra­lisierung von Herrschaft abzielen. Charvát: "Wir können unsere Beobachtungen zusam­menfassen, indem wir vermuten, dass die Generation charismatischer Persönlichkei­ten beiderlei Geschlechts - Begriffe wie Kö­ni­ge oder Priester entbehren jeglichem nach­weisbaren sozialen Kontext für das fragliche Zeitsegment -, die in den 'Königsgräbern' von Ur bestattet wurden, eine komplexe so­zia­le Operation durchführten, deren ulti­ma­tive strategische Perspektive (...) eine radi­ka­le Transformation der aktuellen sozialen Si­tu­a­tion und die Aufrechterhaltung ihres ei­ge­nen Status war. Ausgehend von ihrem Pres­tige, das sowohl auf traditionellen (ver­wandtschaftlichen?) Werten als auch auf persönlichen Leistungen beruhte (...), ging­en sie dazu über, die Masse der Bürger von Ur - oder zumindest ihre eigenen Haushalte - in einen gigantischen Oikos einzuordnen, in dem sie sich selbst die zentralen Positio­nen zuwiesen und der einen beträchtlichen wirtschaftlichen Aufwand entwickelte, um seine soziale Struktur in den äußerlich sicht­baren Zeichen kostbarer Materialien zu ver­schlüs­seln. Indem sie die (übernatürlichen?) Kräfte vor allem des weiblichen Teils der Be­völ­kerung mobilisierten, sorgten sie für die Heiligung des entstandenen Gesell­schafts­körpers, indem sie sein postmortales und damit ewiges Modell in die Unterwelt stell­ten. Einige der auf dem Friedhof von Ur aufgebahrten Verstorbenen sollten sich zu­min­dest eine Zeit lang von der Nahrung er­näh­ren, die sie erhalten hatten (als 'viati­cum'?), wie z.B. Schalen mit Fisch, Schaf-/Ziegenkeulen und getrockneten Äpfeln oder alternativ Äpfeln und Brot (...) und sogar Fei­gensaft in einem silbernen Gefäß, das ei­ne Wasserschale imitierte (...). Die Toten setzten also ihre Existenz in der Unterwelt fort, und die gesamte Ur-Situation erhält Zü­ge, die auf eine Vergötterung der lokalen Elite hindeuten, die als Konstrukteur der be­ste­henden sozialen Ordnung wahrgenom­men wird (...)" (Charvát 2002: 228).
 
 
Hinsichtlich der 'Mitbestattung' der sog. Gefolgsleute vertritt Charvát die Mei­nung, dass die Hauptbestattungen "könnte von Leichen umgeben gewesen sein, die "für diesen Anlass aufbewahrt" wurden und zu Menschen gehörten, die unbedingt in der Nä­he von Personen beigesetzt werden woll­ten, deren charismatische Bedeutung wahr­scheinlich von der gesamten Gemeinschaft anerkannt wurde" (Charvát 2002: 226). Begründung: DieArgumentation Woolleys hin­sichtlich des Zustandekommens des To­des der sog.Gefolgsleute (Gifttrankgabe) ist hinfällig, denn zwischenzeitlich steht fest, dass ein Trinkgefäß zur Grundausstattung ei­nes bzw. einer Toten gehörte (gehören soll­te). DieTrinkgefäße, welche bei den sog. Gefolgsleuten gefunden wurden, können so­mit nicht als Beweis für eine Gifttrankgabe interpretiert werden.
 
 
Aufgrund der Befunde des Dorf­fried­hofes von Tall Ahmad al Hattu (ED I; Ost­tigrisgebiet) und deren Interpretation durch Sürenhagen und Eickhoff, kommt Dietrich Sürenhagen in seinem 2002 in der Festschrift Oates veröffentlichten Beitrag Death in Meso­potamia: The 'Royal Tombs' of Ur Revisited in Hinblick auf die Befunde der Royal Tombs zu zwei grundsätzlichen Frage­stellungen: 1. Handelt es sich bei diesen Grä­bern tatsächlich um die Gräber von "high ran­king people with 'servants'"? 2. Fanden die Bestattungen einer Schachtgrabanlage tat­sächlich gleichzeitig statt? Sürenhagen verneint und vertritt stattdessen die Auf­fas­sung, dass die Royal Tombs "multiple buri­als, i.e. collective graves" waren; die Bestat­tung­en einer Anlage seien nicht simultan er­folgt. Bezogen auf RT.1054 schlägt Süren­hagen in Verneinung der Vorgaben Wool­leys vor: "(...) Eine viel plausiblere Annahme ist, dass die so genannte Hauptbestattung nur die der zuletzt bestatteten Person ist und die Skelettreste im Vorhof (vielleicht auch die Opfergaben) frühere Bestattungen in der Kammer darstellen. Eine entsprechende Interpretation erscheint auch für das Zweikammergrab RT.777 möglich, dessen kleinere Kammer Schädeldepots enthält " (Sürenhagen 2002: 332). Bezogen auf die RTs.789/800 argumentiert Sürenhagen, dass im Falle von RT.789 das Skelett der Haupt­bestattung nicht im Zusammenhang einer Beraubung der Grabkammer mitgenommen wurde, sondern: "Die Überführung des Leich­nams in ein anderes Grab ist ebenso denk­bar. Daraus folgt, dass es sich bei den zahlreichen Schädeln außerhalb der Grab­kammer eher um Ablagerungen von Schä­deln handelt als um ursprünglich intakte Über­reste von In-situ-Bestattungen. Wenn diese Interpretation (...) zutrifft, dann kön­nen die Mehrfachbestattungen in Ur nicht als Überreste von Höflingen oder könig­li­chen Dienern angesehen werden, die zusam­men mit ihrem Herrn oder ihrer Herrin in den Tod gingen, sondern als Zweitbestat­tungen von Leichen, die möglicherweise ursprünglich an einem ganz anderen Ort bestattet worden waren. Wenn diese Inter­pretation zutrifft, dann ist die bisherige Zu­ord­nung zum Hauptbegräbnis der Soldaten und der beiden am Ende des Dromos bestat­teten Wagen ungültig" (Sürenhagen 2002: 336). Bezogen auf RT.800 vertritt Sürenha­gen den Standpunkt, dass das Skelett auf der Bahre – also die Bestattung der Königin Pû'­abī - lediglich die zuletzt in der Grab­kam­mer beigesetzte Bestattung sei. Süren­ha­gen: "Es wäre nicht gerechtfertigt, alle Opfer­ga­ben in der Kammer, die zu einem Haufen zu­sammengeschoben worden waren, dieser Leiche zuzuschreiben. Es waren auch die Überreste anderer Skelette vorhanden, und einige der Gegenstände könnten ursprüng­lich zu ihnen gehört haben. Die Situation im Vorhof und im unteren Teil des Dromos (...) spricht eher gegen als für eine gleichzeitige Bestattung aller Leichen und Ablage aller Opfer­gaben" (Sürenhagen 2002: 336).
 
 
Jüngst hat Gianni Marchesi die Frage "Who Was Buried in the Royal Tombs of Ur?" (2004) erneut gestellt und sie vorrangig mit­tels einer Untersuchung des epigraphischen Quellenmaterials zu beantworten gesucht. Mar­chesi beginnt mit einem Resümee des Forschungsstandes zur gestellten Frage. Sei­ne Argumentation entwickelt er dann vor­rang­ig in Auseinandersetzung mit den von Moo­rey 1977 eingenommenen Positionen. Hinsichtlich Mooreys Argument, dass der Status und damit die zugestandene Form der Grabanlage sowie die Anzahl der sog. Ge­folgs­leute einer männlichen Hauptbestat­tung abhängig gewesen sein mag von ihrem "divine or semi-divine status", bemerkt Mar­chesi nach ausführlicher Sichtung der ein­schlägigen schriftlichen Quellen, dass es für die Zeit vor Narām-Sîn (von Akkade) keiner­lei Hinweise auf eine Vergöttlichung von Herr­schern zu ihren Lebzeiten gibt. Mar­che­si: "Der König wurde in der ED-Zeit ideo­logisch noch als derjenige konzipiert, der von der Gottheit unter vielen auserwählt worden war. Er war "der gute Hirte", der Amts­träger, der dazu berufen war, das Ver­mögen der Gottheit zu verwalten. Natürlich war er eine herausragende Persönlichkeit, die von den Göttern selbst geschaffen und erzogen wurde, aber dennoch ein Mensch." (Marchesi 2004: 168-169).
 
 
Die von Moorey erneut ins Spiel ge­brachte Möglichkeit, dass die sog. Gefolg­schafts­­bestat­tungen aufgrund eines gött­li­chen oder gottähnlichen Status der männ­li­chen Hauptbestat­tungen vorgenommen wur­­­­den, weist Marchesi somit zurück. Er argu­mentiert in diesem Zusammenhang, dass es aber wahrscheinlich ist, dass die herr­schende Elite von Ur sicherlich Ver­su­che unternommen hat, den hierarchischen Abstand zwischen ihrer Position und der 'Gemeinschaft' zu vergrößern; die Royal Tombs seien wahrscheinlich vor diesem Hinter­grund zu interpretieren. Wie darge­legt erklärt Moorey den Status einer weibli­chen Hauptbestat­tung über deren Beziehung zum Gott Nanna, also darüber, ob sie in ihrem Leben als "wife" dieses Gottes fun­gier­te und somit die Position einer Hoheprieste­rin des Gottes erfüllte. Marchesi notiert hier­zu: "Das Amt der Hohepriesterin des Nanna ist in der Tat für die ED-Zeit belegt. Damals wurden Frauen, die mit diesem Amt ausgestattet waren, als (nu)nunusx (MUNUS) (nus)-zi-(d)nanna bezeichnet. Doch keine der Damen, deren Siegel auf dem königli­chen Friedhof von Ur gefunden wurden, trägt diesen Titel" (Marchesi 2004: 170). Bezüglich des im RT.1237 gefundenen Siegels mit der Inschrift "dumu-giparx (KI­SAL)" argumentiert Marchesi, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Personen­namen handelt und nicht um einen Titel. Der Name "Kind des Gipar" würde dann belegen, dass es im Frühdynastikum in Ur ein gipāru (später: Wohnsitz der Pries­ter­innen des Nanna) gegeben hätte, jedoch sei ein einzeln im Grabschacht liegendes Sie­gel mit dieser Inschrift keinesfalls ein Be­weis dafür, dass die Hauptbestattung dieser Anlage respektive weibliche Hauptbestat­tung­en der Royal Tombs schlechterdings Hohe­priesterinnen gewesen seien. In jedem Fall bedeutet das Zeichen 'NIN', laut Mar­chesi besser als 'ereš' zu lesen, "lady" (akk. bēltu) oder "queen" (akk. šarratu) - es gibt keinen Beleg für "EREŠ/NIN as a logogram for 'high priestess'" (Marchesi 2004: 177). Vergleiche beispielsweise die Inschrift des Sie­gels der Nintur (auch Ninbanda gelesen): nin-tur ereš / dam mes-an-né-pà-da, "Nintur, Königin, Gattin (dam) von Mesanepada" so­wie die schon zitierte Inschrift eines Metall­gefäßes aus dem Grab PG.755: nin-tur ereš, "Nintur, Königin". "Daher", so Marchesi, "kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass Pū-abum459 [= Pû-abī; HV] auch eine Königin von Ur war " (Marchesi  2004: 176). Selbstverständlich lässt sich spekulieren, ob die Königin nicht auch als eine Hoheprie­ste­rin des Nanna agierte. Tatsache ist aber: " Das Siegel von Pū-abum weist sie als König­in und nicht als Hohepriesterin aus, und als Königin wurde sie mit solcher Pracht und mit der Ermordung ihrer Dienerschaft be­stat­tet." (Marchesi 2004: 176).
 
 
Hinsichtlich der von Moorey zitier­ten Passage aus The Exaltation of Inanna = NIN ME ŠARA - Mooreys argumentativer Hauptstütze - notiert Marchesi, dass die betreffenden Zeilen inzwischen anders gele­sen werden. Wie Marchesi ausführt, grün­de­te die Übersetzung von Hallo auf einem einzigen Manuskript. Zwischenzeitlich sind mindestens sechs weitere Manuskripte dieses Textes bekannt, die aber in der entschei­den­den Zeile (Z. 99) nicht ì-ug5-ge-dè-e· schrei­ben, sondern vielmehr ì-ug5-gedè- en "Ich werde sterben". Šìr kù-g̃á-ke4-e· bedeutet auch nicht, so Marchesi, "bei (dem Klang) meines heiligen Liedes", sondern vielmehr "wegen meines heiligen Liedes". Folglich müsste die betreffende Zeile erst recht re­kon­struiert und übersetzt werden: ·ìr kù-g̃á-ke4-e· ì-ug5-ge-dè-en Soll ich wegen meiner heiligen Lieder sterben?" (Marchesi 2004: 173).
 
Zurecht notiert Marchesi: "So inter­pre­tiert, hat es eigentlich überhaupt keine Verbindung zu dem was einige Jahrhunderte zuvor auf dem königlichen Friedhof von Ur geschah " (Marchesi 2004:174).
 
 
Marchesi: "Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verfügbaren epigraphi­schen Zeugnisse es uns erlauben, nur zwei der Hauptbewohner der sogenannten Kö­nigs­gräber mit Sicherheit zu identifizie­ren: beide waren Königinnen [Pû-abī (RT. 800); Ašusikildingir462 (RT.1050)]. Der un­be­nann­­te Mann, der in PG 755 bestattet wur­de, war aller Wahrscheinlichkeit nach kein König, sondern ein Kronprinz. So spär­lich die Belege auch sein mögen, die für die­se Gräber vorliegen, so sehr stützen sie doch die ursprüngliche Annahme Woolleys, dass es sich bei den durch rituelle Tötungen und gebaute Kammern gekennzeichneten Grä­bern tatsächlich um königliche Denkmäler handelt." (Marchesi 2004: 185-186).
 
 
         
Ursula Hellwag (1998) berichtet über die Funde von Menschenopfern durch Leh­­­mann-Haupt in Urartu: Von Lehmann (damals noch ohne -Haupt) stammt auch die erste Mitteilung über das sogenannte "To­ten­haus" aus Toprakkale, das Zimansky mit den Knochenfunden von Bastam vergleicht, er zitiert jenen wörtlich: "Dasselbe befindet sich auf dem westlichen Hang des Toprak­kaleh-Felsens, südlich von der Südwestfront des Tempels gelegen, etwa auf der halben Höhe des Hanges, und repräsentirt eine lang gestreckte Anlage. "Haus" darf man es ei­gentlich nicht nennen, weil nur an der öst­lichen, sich an den Fel­senhang anlehnenden Seite Mauerwerk, und zwar solches aus schö­nen Hausteinen, strek­kenweise bemerk­bar ist, während auf den anderen 3 Seiten bisher keinerlei Mauerwerk nachzuweisen, höchst wahrscheinlich auch keins vorhanden gewesen ist. In dem hier am Bergeshange aufgehäuften Erdreich be­merkt man grosse Lagen von menschlichen Knochen, unter­mischt mit zahlreichen Thier­knochen; diese Lagen laufen mit dem Berghange parallel, also schräg hinab, und sind von einander durch 30 bis 40 cm tiefe Erd- und Lehm­schich­ten geschieden. Wir zähl­ten an einer Stelle 4 solcher Schichten; an anderen, tie­feren, mögen 6 bis 7 Schich­ten vorhanden ge­wesen sein." Lehmann be­schreibt im Fund­zusammenhang zahlreiche Gefäßscher­ben von Pithoi und Krügen, ver­ziert und mit Maßangaben, von denen er vermutet, daß sie schon vor den "Leichen" hier zer­schla­gen abgelegt worden waren. Dann fährt er fort: "Die einzelnen Knochen­schich­ten sind für eine Lage menschlicher Leichen meist viel zu dick; es scheint, dass dort meh­rere Körper übereinander liegen. Was be­son­ders auffäl­lig ist, ist der Umstand, dass fast gar keine menschlichen Schädel oder Überreste der­selben hier gefunden wer­den; es scheint danach fast so, als ob alle, oder doch fast alle hier beigesetzten Leichen (mit verschwindenden Ausnahmen) die von Ent­haupteten gewesen seien, deren Köpfe an­der­weitig placirt wurden." Weil der Tempel so nahe liegt, denkt Lehmann an Menschen­opfer, die man dort dem Gott ijaldi darge­bracht habe. Diese Interpretation wird von den Fachleuten inzwischen allgemein abge­lehnt. Aus seiner Fundortbeschreibung und dem Material selbst lassen sich nur schwer sachliche Schlüs­se ziehen oder Vergleiche an­stellen, eher lädt beides zu weiteren Spe­kulationen ein.
 
1931 wiederholt Lehmann-Haupt sei­nen Erstbericht, das "Totenhaus" tauft er um in "Totenterrasse", sonst aber reichert er die Interpretation weniger mit sachlichen Er­­gän­­zungen als mit zahlreichen Vermu­tung­en über das "urartäische Menschen­op­fer" an, das er auch in der urartäischen Lite­ra­tur nachweisen möchte (468-477). Dieser Be­leg beruht aber auf einer falschen Lesung (van Loon 1966, 41; vgl. auch Zimansky 1979, Ar­chaeology 32 11/12, 53; 1988, Bastam II, 120).
 
 
         
Ging es bereits an anderer Stelle[5] um die Assyrer, genauer um Assurbanipal und sein Zitat vom „Dahinschlachten der Fein­de“ als Menschenopfer für seinen Großvater Sanherib, so sieht das Akio Tsukimoto in seinem Bericht „Untersuchungen zur Toten­pflege (kispum) im alten Mesopotamien“ in der Zeitschrift „Alter Orient und Altes Tes­tament“ Band 216, etwas anders:
 
Assurbanipal hat später in seinen An­nalen berichtet, daß er bei der Eroberung der sich gegen ihn empörenden Stadt Baby­Ion die Leute, die dort noch am Leben ge­blie­ben waren, bei den Kolossen nieder­metzelte, und zwar "bei der Totenpflege für ihn", nämlich für seinen Großvater Sanhe­rib, der wahrscheinlich auch bei den Kolos­sen ermordet worden war: „Die übriggeblie­benen Leute - beim Stierkoloß, wo man (od. sie) Sanherib, meinen Großvater, meinen Erzeuger, niedergeschlagen hatte(n), diese Leute habe ich nun dort bei der Totenpflege für ihn niedergeschlagen.“
 
 
Das Hinschlachten der Leute "bei der Totenpflege" ist hier meiner Meinung nach eine literarische Formulierung von dem Vergeltungsakt Assurbanipals für sei­nen ermordeten Großvater. Der Text soll nicht so gedeutet werden, daß Assurbanipal hier seine Feinde hingeschlachtet und sie als "Menschenopfer" zum kispum für Sanherib dargebracht hat. Das Hinschlachten der Fein­­de und das Darbringen des kispum für Sanherib sind zwei verschiedene Taten des Assurbanipals. Auf jeden Fall kann man aus dieser Stelle des Textes das Ehrfurchtsgefühl Assurbanipals gegen seinen verstorbenen Großvater ablesen.
 
 
A.R.W.Green hat versucht, die Spu­ren des Menschenopfers in Mesopotamien hauptsächlich archäologisch festzustellen. Ders., The Role of Human Sacrifice in the Ancient Near East, Missoula 1975. Als ein­zi­gen schriftlichen Beleg für das Men­schen­opfer in Mesopotamien zitiert er offen­sicht­lich diese Stelle (Asb. Pr.A iv 70ff.), oh­ne daß er den Text nachprüft (er verwechselt dabei Assurbanipal mit Asarhaddon). Wie­ter in denselben Annalen trifft man auf den auffallenden Bericht über eine Vernich­tungs­aktion Assurbanipals, der die Gräber der elamischen Könige zerstörte: „Die Grä­ber von ihren früheren und späteren Köni­gen, die Assur und Ischtar, meine Herren, nicht gefürchtet hatten, die die Könige, mei­ne Väter, beunruhigt hatten, habe ich zer­stört, zerkratzt und die Sonne sehen lassen. Ihre Knochen schleppte ich nach Assur. Ich gab ihren Totengeistern Ruhelosigkeit. Ich beraubte sie ihrer ‚Totenpflege‘ (und) Was­serlibation“ (Ende Zitate von Tsukimoto).
 
 
Ich möchte ergänzen, dass Assurba­ni­pal die gefangenen Prinzen der besiegten Elamer dazu zwang, selbst die Knochen­müh­le zu betätigen, in welche die Gebeine ihrer Vorfahren geschüttet wurden, um sie zu zermahlen, zu zerstreuen und so ihrer Toten­ruhe zu berauben. Das ist es, was er mit denWorten umschreibt, „Ich gab ihren Totengeistern Ruhelosigkeit“.
 
 
         
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die älteste Religion der Menschheit, der sumerische Urglaube, ein humanistischer Glau­­­be war und daher natürlich keine Men­schenopfer kann­te. Diese Praktiken sind – wenn überhaupt - wohl erst in den späteren semi­tischen und hamitischen Reli­gio­nen ent­­stan­den. Die semitischen Völker in der unmittelbaren Umgebung der Sume­rer, also die Akkader, Babylonier und Assy­rer, waren gegen solche Entartungen ebenso gefeit wie die Sumerer selbst, denn sie folg­ten den su­me­­rischen Kulten und der dahin­ter ste­hen­den Theologie getreu. In Syrien oder Kar­­t­ha­go mag es vereinzelt Menschenopfer­kulte gegeben haben. Aber selbst das ist wis­sen­schaftlich keineswegs unumstritten, und der Beweis steht und fällt manchmal nur mit der "Lesart" einzelner Worte einer Inschrift.
 
 
Zu einem massiven Problem wird die Praxis der Menschenopfer groteskerweise in der histo­risch jüngeren griechischen Antike, die sonst gemeinhin als human und philoso­phisch aus­gerichtet gilt. Eine besondere Rol­­le, ja oft den einzigen Anlass zur Dis­kus­sion, spielt die Polemik einiger alttesta­ment­licher Autoren, die nicht müde wurden, die anti­ken altorientalischen Religionen als min­derwertig und absto­ßend darzustellen, natürlich regelmä­ßig gar­niert mit dem er­fun­denen Vorwurf von Men­­schenopfer­kul­ten.
 
Dank der unermüdlichen Arbeit der Religions­wis­sen­­­schaf­ten, der Altorientalistik und der vor­­derasia­ti­schen Archäologie in den letzten 100 Jah­ren, hat sich der Schleier über einer Epoche gelüftet, von der man uns glauben machen wollte, sie sei dunkel und grausam gewesen. Heute können wir die Wirk­lich­keit unver­zerrt sehen, und sie zeigt sich überall hell und licht. Es ist eine große Genugtuung und ein Zei­chen für bessere Zeiten, dass es den JHWH-Eiferern und Ver­leumdern des tra­ditio­nel­len Glaubens nicht gelungen ist, die Wahr­heit für immer unkenntlich zu ma­chen. Ebenso müssen wir denen dankbar sein, die uns darauf auf­merk­sam gemacht ha­ben, dass Herodot und ande­re griechische Auto­ren sich in ihren mesopo­tamischen Reise­beschreibungen jeden Bären aufbinden ließen, ohne sich auch nur die gerings­te Mühe zu machen, eigene Nachfor­schungen anzustellen. Es bleibt ein Rätsel, warum sich selbst moderne Wissenschaftler so lange auf diese Schwindeleien verlassen haben.
 
In beiden Fällen stellt man mit Be­stürzung fest, wie hartnäckig sich Tradi­tio­nen halten und wie wenig der Einzelne da­gegen gewappnet ist, willkürlich erfunde­nen Geschichten auf den Leim zu gehen - man muss da die aktuellen Gefahren einer "künst­lichen Intel­ligenz" gar nicht erst heraufbe­schwö­­ren. Man kommt wohl nirgendwo um­hin, bei der Erschließung historischer Wis­sens­gebiete künftig im besten Sinne dekon­struk­­­tivis­tisch vorzugehen.
 
 
 

 
   
 
[1] Jan Assmann, „Vom Poly- zum Mono­theis­mus. Originalveröffentlichung in: Volker Ger­hardt, Klaus Lucas, Günter Stock (Hg.), Evolution. Theorie, Formen und Konsequenzen eines Para­dig­mas in Natur, Technik und Kultur, Berlin 2011, S. 153-164
 
 
 
[2] Morris Jastrow, 1893, The Religion of Baby­lon and Assyria.
 
 
 
 
[3] Zeitschrift fürAssyriologie und verwandte Gebiete Bd. 39 (1930) „Menschenopfer bei den alten Sumerern“.
 
 
 
 
[4] Franz Böhl wurde ab S. 10ff hier ausführ­lich zitiert.
 
 
 
[5] Franz Böhl, „Menschenopfer bei den alten Sumerern“, zitiert hier auf sSeite 11.
 
 


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